Arbeitskittel (Sträflingskleidung) aus der Strafanstalt Tobel

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Langärmliges Hemd, blau-weiss gestreift, zum Überziehen, ohne Kragen, mit zwei Knöpfen über der Brust.


Aus hygienischen Gründen nahmen die Häftlinge beim Eintreten in die Anstalt ein Bad und zogen danach die standardisierte Anstaltskleidung an, die in den hauseigenen Werkstätten hergestellt wurde. Im 19. Jh. trugen die Männer Hemd, lange Hose, Weste und Wams aus derbem ungebleichtem Leinenstoff. Aus dem gleichen Material bestanden Hemd, Rock und Unterrock für die Frauen. Zudem wurden Männer wie Frauen mit Hals- und Nastuch, Strümpfen und Schuhen mit Holzsohle ausgestattet. Die Männer bekamen zusätzlich eine Kappe. Im Winter wurden Männer wie Frauen mit Unterkleidung aus Wolle versorgt. 1868 entschied sich der Regierungsrat für gestreifte Zuchthausgewänder. In den 1920er-Jahren setzte sich die weisse Leinenkleidung durch. 1928 empfahl der Regierungsrat die Kleider aus einem auffällig gelben Halbleinen anfertigen zu lassen. Die Kleidung der Insassen wurde mit einem Stempel der Anstalt versehen.

1811 eröffnete der Kanton Thurgau in der ehemaligen Malteserkommende Tobel die erste kantonale Strafvollzugsanstalt für Frauen und Männer. Die sowohl als Zucht- wie auch als Arbeitshaus dienende Einrichtung hatte zum Ziel, Obdachlose, Landstreicher und Landstreicherinnen, «Arbeitsscheue» und «Liederliche» mittels produktiver Beschäftigung zu disziplinieren, weshalb alle Häftlinge in einen Arbeitsprozess einbezogen waren. Einerseits wurden sie ausserhalb der Anstalt eingesetzt und mussten beim Strassenbau sowie in der Industrie und im Gewerbe Hand anlegen, andererseits waren sie in den hauseigenen Werkstätten (Weberei, Flechterei, Schreinerei) und im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb tätig. Die weiblichen Gefangenen übernahmen hauswirtschaftliche Tätigkeiten wie Spinnen, Nähen, Waschen und Kochen. 1829 trennte man die Zuchthaus- von den Arbeitshausinsassen und -insassinnen. Bis 1840 unterstand die Institution der Zucht- und Arbeitshauskommission, danach oblag die Kontrolle direkt dem Polizei- und Justizdepartement.
2. Hälfte 19. Jh./Anfang 20. Jh.
Länge 67, Schulter 67, Brust 74 cm
Baumwolle
T 21841
Verena Rothenbühler, Hinter Schloss und Riegel, Die Strafanstalt Tobel 1811–1973, in: Im Tobel der Busse, Komturei und Strafanstalt Tobel 1226–2014 (Thurgauer Beiträge zur Geschichte, Bd. 152), Frauenfeld 2015, S. 79–202, bes. S. 97, 134–138.
Schlagwörter: Staatliche Institutionen, Justiz , Textilien, Bekleidung Mann