Drachen (Flugdrachen), gebastelt während der Grenzschliessung aufgrund der Corona-Pandemie (Covid-19)

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  Der Drache hing im Frühling 2020 am temporär errichteten Doppelzaun zwischen Kreuzlingen und Konstanz.

Rautenförmiger Drachen aus Holz und Kunststoff, beidseitig handschriftliche Aufschrift: «Über den Wolken muss die Freiheit wohl Grenzenlos sein....». Kurze Schnur mit Kunststofffliegen. Hergestellt aus Recyclingmaterialien, hauptsächlich Plastiktaschen.


Ab Frühjahr 2020 breitete sich die Infektionskrankheit Covid-19 rasant global aus. Weltweit ordneten alle Staaten Hygienemassnahmen und -vorschriften an. Dies führte zum sogenannten Lockdown, der später allmählich gelockert werden konnte, aber auch zu erneuten Einschränkungen, sobald die Ansteckungen zunahmen.

Zu den einschneidendsten Massnahmen im Kanton Thurgau gehörte die Grenzschliessung zwischen Kreuzlingen und Konstanz im Frühling 2020. Am 16. März 2020 schloss Deutschland die Grenze und errichtete einen Gitterzaun. Gut zwei Wochen später liessen die Schweizer Behörden einen zweiten Zaun im Abstand von zwei Metern aufstellen. Der Doppelzaun wurde kontrolliert und trennte Freunde, Familien und Liebespaare. Trotzdem trafen sich die Menschen am Zaun und kommunizierten über die Distanz hinweg. Es wurden Geschenke über den Zaun ausgetauscht oder Nachrichten mit persönlichen Gedanken deponiert, so wurde beispielsweise das Wort «Kreuztanz» (aus Kreuzlingen und Konstanz) mit Plastikband in die Drähte der Gitter eingewoben. Der Doppelzaun wurde zum Symbol für die Abriegelung der Grenze, aber auch für die starke Verbundenheit zwischen Kreuzlingen und Konstanz. Am 16. Mai 2020 wurde der Zaun unter Jubel demontiert. Der Drache, der zuvor am Grenzzaun hing, lag daher am Tag der Grenzöffnung am Boden und wurde von einem Passanten mitgenommen.

Zuletzt hatten Deutschland und die Schweiz zu Beginn des Zweiten Weltkriegs einen Grenzzaun installiert. Der Zaun trennte über Jahrzehnte die eigentlich zusammengewachsenen Gebiete. Nach andauerndem Widerstand wurde der Zaun ab 1999 sukzessive abgebaut und abschnittsweise durch die offene Kunstgrenze, markiert durch Skulpturen, ersetzt.

Die Corona-Massnahmen zu Beginn der Pandemie haben in der Schweiz grundsätzlich gewirkt, wie eine Studie der ETH Zürich 2024 zeigte. So hätten die Grenzschliessung in den ersten Wochen, als die Fallzahlen im Ausland deutlich höher lagen, die Zahl eingeschleppter Infektionen um 90 Prozent gesenkt. Dennoch gab es bereits während der Pandemie Stimmen, die die Einschränkungen als zu restriktiv kritisierten und eine Aufarbeitung der angeordneten Massnahmen forderten.

Das Zitat auf dem Drachen ist ein Ausschnitt aus dem Lied «Über den Wolken» des deutschen Musikers und Liedermachers Reinhard Mey von 1974. Im Lied schildert der begeisterte Hobbypilot Reinhard Mey die Sinneseindrücke beim Beobachten startender Flugzeuge sowie die Erwartung, dass sich über den Wolken alle Probleme relativieren würden. Fliegen wird mit Freiheit assoziiert, in diesem Sinne hat die Liederzeile als geflügeltes Wort auch Eingang in die Alltagssprache gefunden. Auch in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurde das Lied stark mit dem Freiheitsgedanken verbunden, weshalb Reinhard Mey dort nicht auftreten durfte.

Der Drache spielt auf die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Menschen an und symbolisiert die Überwindung der geschlossenen Grenze. Möglicherweise richtet sich der Drache auch als Sinnbild gegen die staatlichen Restriktionen während der Coronapandemie, von welchen sich viele Menschen bevormundet fühlten.

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2020
L. 74, B. 44 cm
Holz; geklebt; Kunststoff, beschriftet, beklebt; Hanfschnur
T 29969
Duden, Zitate und Aussprüche, Herkunft, Bedeutung und aktueller Gebrauch, Duden, 2019, S. 541.

Grenzzaun in Kreuzlingen und Konstanz, https://www.swissinfo.ch/ger/grenzzaun-in-kreuzlingen-und-konstanz-symbol-mit-geschichte/45943290, aufgerufen am 10.09.2025.

Grenzzaun (Konstanz), https://de.wikipedia.org/wiki/Grenzzaun_(Konstanz), aufgerufen am 10.09.2025.
Schlagwörter: Ereignis, Geschichte, Erinnerung, Spiel