Gemälde: Brustporträt von Ernst Brunnschweiler-Rikli (1882–1962) aus Hauptwil

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Brustbild im Viertelprofil, nach rechts gewandt und mit Blickkontakt zum Betrachtenden, mit einem grünen Jackett (Schweizerdeutsch Tschoope), einem weissen Hemd und einer roten Krawatte bekleidet. Seine rechte, auf Brusthöhe gehaltene und im Bild in der rechten unteren Ecke gemalte Hand umschliesst einen runden Gegenstand, womöglich einen Feldstecher. Brunnschweiler trägt sein weisses Haar kurz geschnitten. Der Hintergrund ist in verschiedenen grauen Farbtönen mit weissen, hellgelben und rosa Akzenten gemalt.
Oben links im Bild die Signatur und Datierung in Grün des russischen Malers «A. v. Assaulenko 1953?. XI.», wobei es sich bei der Zahl «3» auch um eine «8» oder «9» handeln könnte.
Rückseitig auf aufgeklebtem Packpapier beschriftet: «Ernst Brunschweiler-Rikli Etatis suae CXXI A.D. XI. 1953 Hauptwil.»
In profiliertem vergoldetem Rahmen aus der Zeit.

Das Bild schuf der in Lubny (UKR), in Kiew und Leningrad zum Maler ausgebildete und während des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland geflüchtete und dort bis zu seinem Tod arbeitende Künstler Alexeij von Assaulenko. Er spezialisierte sich auf die Porträtmalerei und fertigte in der Schweiz eine Anzahl Bildnisse als freischaffender Künstler an.
Brunnschweiler malte er mit breiten schnellen Pinselstrichen, stilistisch in Anlehnung an den Expressionismus und der gegenständlichen Wiedergabe des Motivs verpflichtet.
Hauptwil war ab der zweiten Hälfte des 16. Jhs. ein bedeutender Standort der frühen Leinwandindustrie. Um 1786 stieg dort die Familie Brunnschweiler erfolgreich ins Textilgeschäft ein und zog eine florierende Baumwollfärberei auf, die über fünf Generationen bis 1984 geführt wurde. Dabei kam den Fabrikanten Brunnschweiler die hervorragend entwickelte Infrastruktur (Fabrikationsgebäude, Kosthäuser, Landwirtschaft, Strassen) zugute, welche die Industriellenfamilie Gonzenbach aufgebaut hatte und ab 1807 nach und nach veräusserte. Begründer des Unternehmens war Johann Joachim Brunnschweiler (1759–1830), der die Liegenschaften für seine Fabrikation von der Familie Gonzenbach pachtete und ab 1812 eine Anlage nach der anderen erwarb. Auch sein Bruder Enoch (1760–1834) Brunnschweiler war in Hauptwil im Textilgeschäft tätig, zu Beginn waren die Brüder Geschäftspartner.
Erfolgreich war das Hauptwiler Textilunternehmen wegen seiner Rezeptur der Farbe Rot (Türkischrot), die eine lebhaft leuchtende, gleichmässig gefärbte Baumwolle ermöglichte, wofür 30 bis 40 Teilschritte notwendig waren. Solcherart mit pflanzlichen Mitteln gefärbte Stoffe waren bis zu Beginn der 1870er-Jahre gefragt, danach kamen synthetische Farben auf, welche die Textilindustrie reformierten. Für die Färberei Brunnschweiler war diese Änderung in der Produktion vorerst von Nachteil, bis der Polychemiker Joachim Brunnschweiler-Frauenfelder (1859–1945) eine Rotfärbung entwickelte, die der Firma wiederum eine Spitzenreiterposition in der Textilindustrie verschaffte. Brunnschweiler-Frauenfelder führte den Betrieb – nun unter dem Namen «Brunnschweiler & Co.» – zusammen mit seinem Sohn Paul (1891–1975) und seinem Neffen Ernst, dem Porträtierten. Ernst Brunnschweiler erlebte konjunkturell turbulente Jahre zwischen den Weltkriegen und während des Zweiten Weltkriegs. Nach der Krise florierte das Unternehmen aufs Neue, indem es sich auf hochklassige und spezifische Kundenwünsche fokussierte. Ernst Brunnschweiler schied 1951 aus der Firma aus.

Die Familie Brunnschweiler hinterliess Spuren in Hauptwil. So besetzte sie über Generationen entscheidende Positionen in der Gemeindeverwaltung, war wichtigste Arbeitgeberin und grösste Liegenschafts- und Bodenbesitzerin. Dabei erwarb sie auch repräsentative Gebäude, vormals herrschaftlich von der Familie Gonzenbach erbaut oder saniert, wie das Kaufhaus, das Ernst Brunnschweiler bewohnte. Dieser 1667 zu Wirtschaftszwecken errichtete und 1783 prachtvoll umgestaltete Bau kam 1867 in den Besitz der Familie Brunnschweiler und gehörte ab 1892 Ernst Brunnschweiler.

Der Name Brunnschweiler kennt einige Varianten: Brunschweiler, Brunschwiler, Brünschwiler und Brüschwyler. Die Hauptwiler Linie legte die Version Brunnschweiler im 19. Jh. fest. Das Gemälde war bis 2002 im Besitz der Nachkommen des Porträtierten.
Assaulenko, Alexeij von (1913–1989), Maler
1953?
H. 99.5, B. 79, T. 6 cm
Öl auf Pavatex; profilierter Holzrahmen, gebeizt, vergoldet
T 28196
Emanuel Stickelberger-Brunschweiler, Bilder und Blätter aus dem Lebensraum von Johann Joachim Brunnschweiler in Hauptwil (1759–1831), dem Anreger zu der Bewegung, die 1798 zur Unabhängigkeitserklärung des Thurgaus führte, Uttwil 1957.

ARD Mediathek, hr Retro Hessenschau, Russische Maler Alexej von Assaulenko, 19.07.1957. https://www.ardmediathek.de/video/hr-retro-oder-hessenschau/russischer-maler-alexej-von-assaulenko/hr/MGFhODE0ODYtMjYxZS00YmE1LWI3OTItOGFlMDg2NDk4NWMy, aufgerufen am 20.04.2025.

André Salathé, Brunschweiler, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom vom 26.08.2004. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/025064/2004-08-26/, aufgerufen am 20.04.2025.

André Salathé, Johann Joachim Brunschweiler, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom vom 26.08.2004. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/029340/2004-08-26/, aufgerufen am 20.04.2025.

Ernest Menolfi, Hauptwil-Gottshaus, Frauenfeld 2011, S. 227–244.

Stefan Keller, Spuren der Arbeit, Weinfelden 2020, S. 12–13.

Bundesverband Deutscher Stiftungen, Stiftungsarchive in Deutschland, Archiv der Alexej von Assaulenko-Kulturstiftung. https://stiftungsarchive.de/archive/6673, aufgerufen am 20.04.2025.
Schlagwörter: Malerei, Porträt, Hauswirtschaft, Industrie, Textilien