Gemälde: Porträt des preussischen Offiziers Paul Gonzenbach (1724–1799), Festungsingenieur in West- und Ostpreussen

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Halbfigurenstück mit leicht abgewendeter rechter Körperseite, Gesicht im Viertelprofil, angewinkeltem linkem Arm, die Hand in der Taille abgestützt. Paul Gonzenbach trägt die Uniform eines preussischen Offiziers, die aus einem blauen Waffenrock mit roten Brust- und Ärmelaufschlägen, zwei Reihen à je sechs Silberknöpfen und Silberstickerei, einem polierten Kürass (Brustpanzer) und einer darunter liegenden blauen Seidenweste mit gelber Borte besteht. Letztere ist am Hals und in der Taille in Falten gelegt, die einige Zentimeter zum Vorschein kommen. Im Weiteren trägt er einen Ringkragen (Halsschutz), ein weisses, mit Spitzen versehenes Jabot und ein weisses Hemd, dessen weite bestickte Ärmelschösse mit gewelltem Rand, die linke, in der Taille abgestützten und zur Faust geballten Hand bedecken. Schärpe (Leibbinde) aus Seiden- und Silberfäden, Degen mit vergoldetem Knauf und silbernem Griff. Das graue Haar von Gonzenbach ist, gemäss den Vorschriften für preussische Soldaten, streng nach hinten gekämmt, was seine Geheimratsecken besonders betont, und liegt über den Ohren je in einer waagrechten breiten Locke auf.

Auf Rückseite beschriftet in der Mitte «Paul v: Gonzenbach / Königl. Preussischer / Ingenieur-Capitän», unten links «Silberberg,/ jj Juij 1767», und unten rechts «pinx: F: [oder] J: M: Steinner.»
Die Familie Gonzenbach in Hauptwil war die erste Industriellenfamilie der Schweiz. Zuerst prominent und erfolgreich im St. Galler Leinwandhandel tätig, bauten zwei ihrer Mitglieder, die Brüder Bartholome (1616–1693) und Hans Jakob I. (1611–1671), in der 2. Hälfte des 17. Jhs. ein frühindustrielles höchst profitables Unternehmen auf, indem sie Leinwandstoff, frei von städtischen Verordnungen, produzierten und veredelten sowie mit den Tuchballen Handel betrieben. Aufgrund von Unstimmigkeiten mit der konservativen St. Galler Kaufmannschaft richteten die Brüder Gonzenbach im Osten des Thurgaus, an der Grenze zu St. Gallen, Fabrikationsstätten ein, weshalb sich das kleine landwirtschaftlich geprägte Dorf Hauptwil innerhalb weniger Jahre zu einem Zentrum der europäischen Leinwandproduktion entwickelte. Waren vorerst die Herstellung und das Bleichen des Tuches lukrative Standbeine des Geschäfts, erlangte das Färben und Bedrucken der Textilien im Verlauf des 18. Jhs. grosse Bedeutung. Die Familie pflegte einen gehobenen Lebensstil in Anlehnung an den Geschmack des Adels und bewohnte die zwei herrschaftlichen Gebäude, das Alte (Untere) und das Neue (Obere) Schloss in Hauptwil. Auch gehörten ihr die Niedergerichte Hauptwil und Freihirten. Zudem machten einzelne Familienmitglieder vom Adelsprädikat «von» Gebrauch, obschon dem Namenszusatz weder kaiserliche noch königliche Verbriefungen zugrunde lagen.
Paul Gonzenbach ergänzte seinen Namen konsequent mit dem Adelstitel «von». Sein Beruf als Offizier im preussischen Heer mag dabei eine Rolle gespielt haben, denn als hoher Militär stand er stetig in Kontakt mit deutschen Adligen.
Paul war der Urenkel von Hans Jakob I. Gonzenbach. Er wuchs in Leipzig auf und trat als 18-Jähriger in den militärischen Dienst des preussischen Königs Friedrich des Grossen ein. Dort durchlief er eine steile Karriere und entwickelte sich zum Spezialisten für die Errichtung von Befestigungsanlagen. In leitender Funktion als Ingenieuroffizier war er bei der Errichtung der Ost-Festungen Glatz, Silberberg und Graudenz beteiligt. Das Porträt entstand 1767, also in den Anfangsjahren des Bauprojekts Silberberg, das von 1765 bis 1777 dauerte.
Gegen Ende seiner Laufbahn war er als Inspektor für die Bollwerke in der ostpreussischen Provinz Pommern und die Ertüchtigung des Festungswerks Pillau (RUS) verantwortlich.
Zu seiner Familie in Hauptwil pflegte der ledige Paul Kontakt, zog doch seine ebenfalls unverheiratete Schwester, der er sehr zugetan war, in fortgeschrittenem Alter zu den Verwandten nach Hauptwil.
1767
H. 93.5, B. 73.5, T. 3.5 cm
Öl auf Leinwand
T 44265
Ernest Menolfi, Hauptwil-Gottshaus, Frauenfeld 2011, S. 65–127, 362–363.

Peter Letkemann, Paul von Gonzenbach, Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen. https://kulturstiftung, org/biographien/gonzenbach-paul-von-2, aufgerufen am 08.01.2025.
Schlagwörter: Hauswirtschaft, Malerei, Porträt, Militaria, Industrie, Textilien