Gemälde: Porträt einer schwarz gekleideten und mit Schmuck reich ausgestatteten Dame, vermutlich Maria Ursula Gonzenbach aus Bischofszell im Alter von 51 Jahren

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Halbfigurenstück mit leicht abgewendeter rechter Körperseite und Gesicht der Dame. Die Porträtierte trägt eine Kleidung aus schwarzem und weissem Stoff sowie eine Pelzkappe. Dazu gehört das schwarze enge Mieder aus Brokat oder Samt mit den ellbogenlangen, vermutlich wattierten Ärmeln, die vorne bauschig enden und mit Spitzen oder Pelz besetzt sind und den darunter liegenden hervorquellenden weissen Ärmeln des Wäschehemdes, die mit feinen durchscheinenden weissen Manschettenborten mit floralem Muster versehen sind. Das Mieder ist vorne weit nach unten gezogen und mündet in einer Scheppe oder Schürze mit Bortenbesatz aus Goldlahn. Der Faltenrock, unten rechts im Bild zu erkennen, besteht aus heller gemusterter Seide. Um den Hals der Dame legt sich eine schmale Mühlradkrause, deren vordere Kante mit einem weissen Band bedeckt ist. Ihr Kopf wird von einer imposanten, aus Marderpelz genähten «Brämikappe» (Hinterfür) gerahmt, die sowohl ihr Haar wie ihre Ohren vollständig bedeckt, wobei zwischen Haar und Kappe eine weisse Haube liegt, die mit schwarzen Klöppelspitzen gesäumt ist. Die schwarzen Samtbänder der Kappe liegen auf dem waagrecht abstehenden Kragen. Mit schwarzen schmalen Seidenbändern sind auch die Ärmelschösse an ihre Unterarme gebunden.
Imposant ist der Schmuck, den die Dame präsentiert. Um ihren Hals liegt eine dreireihige goldene Ankerkette mit einem filigran gearbeiteten Anhänger mit einem grossen Rubin oder Granat sowie drei Perlenabhängern. Auf ihren Unterarmen, die sie vor ihrem Leib zur Schau trägt, liegt je ein Armband mit Gliedern abwechselnd aus einer filigranen Rosette oder Kamee, wobei die Rosetten entweder eine Perle oder einen roten Stein im Zentrum aufweisen. Insgesamt schmücken ihre Finger vier Ringe, einer mit Perlen, die anderen drei mit Steinbesatz. Um ihre Taille schlingt sich eine goldene Gürtelkette, die sie mit ihrer Linken rafft. Unter der Kappe trägt sie Ohrhänger aus zu einer Blüte geformtem Golddraht mit Perlenanhänger.
Die Dargestellte mit scharf geschnittenen Nasenlippenfurchen, tiefen Augenhöhlen und roten Lippen schaut die bildbetrachtende Person mit ihren braunen Augen an. In ihrer linken Hand hält sie eine weiss-rote Nelke (Symbol der Liebe, Ehe und Zuneigung).
Oben Aufschrift mit Nennung der Porträtierten, ihrem Alter und der Datierung des Bildes, links von der Kappe «Ursula G. Bach», rechts von der Kappe «Etat. 51/ 1657».
Die frühindustrielle Leinwandproduktion, die in Hauptwil bereits in der 2. Hälfte des 17. Jh. einsetzte, war das Werk von Bartholome und Jakob I. Gonzenbach. Deren Grossvater Hans Gonzenbach (Schwarzhans) (um 1500–1572) kam zu Vermögen, indem er sich und seine Familie aus der äbtisch-sanktgallischen Leibeigenschaft freikaufen, in Bischofszell in den Besitz wichtiger Ämter und dort sowie in Hauptwil zahlreiche Immobilien und umfänglichen Landbesitz erwerben konnte. Durch seinen finanziellen Erfolg und gewinnbringende Investitionen legte er den Grundstein für das über Jahrhunderte profitable Textilunternehmen im Osten des Thurgaus.
Sein Sohn Hans Jakob Gonzenbach (um 1560–1635), Ratsherr in Bischofszell und Wirt im Gasthaus zur Krone (Neugasse 18), heiratete um 1585 Dorothea Scherb (um 1560–1635). Ihr siebtes Kind war Maria Ursula. Da deren Geburtsdatum aktenkundig nicht eindeutig vorliegt, kann die hier Abgebildete mit der Tochter von Dorothea Scherb und Hans Jakob Gonzenbach nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Gesichert überliefert ist das Todesjahr. Sollte es sich bei der Porträtierten um Maria Ursula Gonzenbach handeln, hätte sie beinahe ein Jahrhundert lang von 1606 bis 1705 gelebt und wäre mit 99 Jahren gestorben. Dies wäre durchaus denkbar, da die Frauen in der Familie Gonzenbach ein hohes Alter erreichten, wie die entfernt verwandten Cousinen von Maria Ursula, so die in Hauptwil tatkräftig im Unternehmen mitwirkenden Cleophea (1676–1757), Judith (1680–1760) und Elisabeth (1687–1767), die alle um die 80 Jahre alt wurden.
Als Cousine dritten Grades der Gründer des Hauptwiler Textilunternehmens gehörte Maria Ursula zwar nicht zum prominenten Zweig der Familie, aber dennoch zum regierenden und vermögenden Bischofszeller Patriziat. Das Gemälde zeigt denn auch eine Dame der gehobenen Gesellschaft, die kostbare Kleidung und Schmuck repräsentativ zur Schau trägt. Bemerkenswert ist die Kombination von engem schwarzem Mieder mit den feinen zarten weissen Spitzen der Hemdsärmel und dem hellen fliessenden Seidenstoff des Rocks. Ursula Gonzenbach lebte in einer Übergangsepoche, in welcher die spanische Mode mit den dunklen eng geschnittenen Gewändern langsam vom französischen Kleidungsstil abgelöst wurde und glänzende helle gemusterte und luftig fallende Seidenstoffe mit verspielten Schnürungen und Spitzen aufkamen.
1657
H. 85, B. 71, T. 4 cm
Öl auf Leinwand
T 44262
Eva Nienholdt, Kostümkunde, Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber (Bibliothek für Kunst- und Antiquitätenfreunde, Bd. XV). Berlin 1961, S. 81–92.

Annemarie Bönsch, Formengeschichte europäischer Kleidung (Konservierungswissenschaft, Restaurierung, Technologie, Bd. 1), Wien 2001, S. 168–180.

Ernest Menolfi, Hauptwil-Gottshaus, Frauenfeld 2011, S. 65–127, 362–363.

Stefan Keller, Spuren der Arbeit, Weinfelden 2020, S. 7–18.

Murielle Schlup, Modestatement und Statussymbol, Die Brämikappe, Blog, Schweizerisches Nationalmuseum, 2018, aktualisiert 2021. https://blog.nationalmuseum.ch/2018/05/modestatement-und-statussymbol-die-braemikappe/, aufgerufen am 07.02.2025.
Schlagwörter: Hauswirtschaft, Malerei, Porträt, Botanik, Symbol, Industrie, Textilien, Schmuck