Gemälde: Porträt von Cleophea Gonzenbach (1676–1757)

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Hüftstück, Frontalansicht mit sich leicht nach rechts abgewandter Körperhälfte, Gesicht im Viertelprofil. Die Porträtierte trägt ein graugrünes tailliertes Kleid aus floral gemusterter Damastseide in der Art der französischen Hofmode mit einem Manteau, der aus einem eng anliegenden Mieder und dem unterhalb der Taille nach aussen stehenden Faltenrock besteht. Die schmale Taille wird durch den vorne spitz nach unten zulaufenden Miedereinsatz betont. Die Ärmel mit weit geschnittenen Enden reichen bis über die Ellbogen, die Ärmelenden sowie der runde Halsausschnitt des seidenen Unterhemdes sind mit feinen durchsichtigen Spitzen oder Musselin gesäumt. Auf ihren Schultern liegt ein über der Brust gekreuztes grünes Seidenband, dessen mit Quasten versehene Enden bis zur Taille reichen. Ihr schmales leicht lächelndes Gesicht ist von einer Haube gerahmt, die ihr Haar vollständig bedeckt und die vorne einen feinen weissen plissierten Spitzenbesatz aufweist, der hinten in ein wohl mit Goldlahn besticktes Band übergeht. Der Blick der Abgebildeten richtet sich aus dem Bild nach rechts, zwischen ihrem linken Daumen und Zeigefinger hält sie drei rote kurzstielige Blumen mit Knospen, vermutlich Pfingstrosen. An ihrem linken kleinen Finger steckt ein schmaler Silberring.
Der dunkle Hintergrund betont die hell beleuchteten, nicht bekleideten Körperstellen der Porträtierten.

Rückseitige Beschriftung mit Nennung der Porträtierten und deren Lebensdaten «CLEOPHE GONZENBACH / nata 1676 t 1757».
Die Familie Gonzenbach in Hauptwil war die erste Industriellenfamilie der Schweiz. Zuerst prominent und erfolgreich im St. Galler Leinwandhandel tätig, bauten zwei ihrer Mitglieder, die Brüder Bartholome (1616–1693) und Hans Jakob I. (1611–1671), in der 2. Hälfte des 17. Jhs. ein frühindustrielles höchst profitables Unternehmen auf, indem sie Leinwandstoff, frei von städtischen Verordnungen, produzierten und veredelten sowie mit den Tuchballen Handel betrieben. Aufgrund von Unstimmigkeiten mit der konservativen St. Galler Kaufmannschaft richteten die Brüder Gonzenbach im Osten des Thurgaus, an der Grenze zu St. Gallen, Fabrikationsstätten ein, weshalb sich das kleine landwirtschaftlich geprägte Dorf Hauptwil innerhalb weniger Jahre zu einem Zentrum der europäischen Leinwandproduktion entwickelte. War vorerst die Herstellung und das Bleichen des Tuches lukratives Standbein des Geschäfts, erlangte das Färben und Bedrucken der Textilien im Verlauf des 18. Jhs. an Bedeutung. Die Familie pflegte einen gehobenen Lebensstil in Anlehnung an den Geschmack des Adels und bewohnte die zwei herrschaftlichen Gebäude, das Alte (Untere) und das Neue (Obere) Schloss in Hauptwil. Auch gehörten ihr die Niedergerichte Hauptwil und Freihirten. Zudem machten einzelne Familienmitglieder vom Adelsprädikat «von» Gebrauch, obschon dem Namenszusatz weder kaiserliche noch königliche Verbriefungen zugrunde lagen. Im Weiteren verhinderte ein Fideikommiss (Familienstiftung) die Schmälerung des Vermögens aufgrund von Erbteilungen.
Cleophea Gonzenbach war die Enkelin von Hans Jakob und im heutigen Sinn eine Geschäftsfrau. Zusammen mit ihren ebenfalls ledigen Schwestern Judith und Elisabeth war sie durch ihr Vermögen federführend am Leinwand-Unternehmen beteiligt, das bis 1747 von ihrem Bruder Hans Jakob II. und nach dessen Tod von ihrem Neffen Hans Jakob III. geführt wurde.
um 1720
H. 88, B. 69.5, T. 4 cm
Öl auf Leinwand
T 44264
Ernest Menolfi, Hauptwil-Gottshaus, Frauenfeld 2011, S. 65–127, 362–363.

Stefan Keller, Spuren der Arbeit, Weinfelden 2020, S. 7–18.
Schlagwörter: Hauswirtschaft, Malerei, Porträt, Industrie, Textilien