Gewehr der Jägerkompanie Modell 1856, abgeändert zu Hinterlader mit Kippklappverschluss nach dem System Milbank-Amsler 1867

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Vom Vorderlader mit Perkussionszündung umgeänderter Hinterlader nach dem System Milbank-Amsler.

Runder brünierter Lauf mit vier konzentrischen Zügen. Kettenschloss mit einer Rast. Quadrantenvisier für Visierstellung bis 800 m. Blockkorn. Schlosshahn mit geriffeltem Hahnsporn (Griffoptimierung), zungenförmigem Klapphebel (zum Öffnen des Schlosses). Schmiedeeisengarnitur aus drei Bändern und Federhalterung, Abzugsbügel mit Fingerhaken sowie Kolbenkappe. Basculehaken am Laufende. Zwei Bügel für den Tragriemen.
Tüllenbajonett mit dreikantiger Klinge und Ladestock fehlen. Vollschaft mit leicht geschwungenem Kolbenabschluss.

Schläge: Auf Schlossplatte der Hersteller «A. Francotte A LIEGE» und «AF» darüber Krone. Auf Verschlussgehäuse «OB» (ev. Kontrollstempel der Ostschweizerischen Büchsenmachergesellschaft) und Stempel des eidg. Kontrollinspektors in Form von Schweizerkreuz sowie «SP». Auf Lauf zweimaliger weiterer Kontrollstempel und Wappen von St. Gallen (Zeughaus St. Gallen, Besitzer) und Waffennummer «401». Visier mit zweimaliger Waffennummer und «W». Vorderband mit «C», Mittel- und Hinterband, Schwanzschraube, Schrauben auf Fläche der Seitenplatte sowie Kolbenkappe und Abzugsbügelblatt mit «A». Auf Kolben in Kreis «A. FRANCOTTE A LIEGE» sowie «3239».
Die Jäger gehörten zu den sogenannten leichten Truppen und waren auf Aufklärung, Scharmützel und Überfälle spezialisierte Einheiten, die in loser Formation agierten und nach Möglichkeit mit handlichen Stutzern ausgestattet waren. Das «eidgenössische Militair-Reglement» von 1817, in welchem die Truppengattungen der Schweizer Armee definiert werden, schreibt vor, dass eine der sechs Kompanien eines Infanteriebataillons aus Jägern bestehen soll. 1850 gehörten zwei Jägerkorps zu einem Bataillon.

1867–1869 fand eine signifikante Umgestaltung und Optimierung der Schweizer Armeewaffen statt. Dabei handelte es sich um ein beachtliches Projekt, wovon rund 133 000 Gewehre betroffen waren – 8580 Stück gehörten zur Thurgauer Truppe –, und zwar solche, die bereits im Einsatz waren, aber auch Waffen, die sich noch in Fabrikation befanden. Ausschlaggebend für dieses Unternehmen war mitunter der Preussisch-Österreichische Krieg von 1866, der die Überlegenheit der Hinterlader vor Augen führte. Deshalb wurden alle klein- und grosskalibrigen Gewehre (10.5 mm und 18 mm) zu einschüssigen Hinterladern umgebaut. Dieser Umbau nach dem System Milbank-Amsler war von eminenter Bedeutung. Sie ermöglichte eine wesentlich andere Kampfführung im Feld sowie das Laden in kniender oder sogar liegender Position. Mit diesem System des Mathematikprofessors Jakob Amsler-Laffon (1823–1912) aus Schaffhausen auf der Basis des amerikanischen Konstrukteurs J. M. Milbank konnte in die bestehenden Vorderlader ein Kippklappverschluss eingebaut werden, welcher das Laden von hinten mit einer Metall-Patrone ermöglichte. Mit diesen Neuerungen und der Randfeuerpatrone (Einheitspatrone mit Metallhülse) erhöhte sich die Schusskadenz von 3 auf 7 bis 12 Schuss in der Minute erheblich.
Ab 1872 kam es zur Ausmusterung dieser über 60 Jahre alten Gewehre. Bis 1888 waren sie Bestandteil der Kriegsreserve.
Francotte, August, (*1805), Waffenhersteller in Liège (Lüttich, BEL)
1856–1867
L. 132 cm, Lauf L. 85 cm
Stahl, Eisen, Nussbaumholz
Wg 296
Hugo Schneider, Michael am Rhyn, Eidgenössische Handfeuerwaffen(Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee seit 1817, Bd. 2), Dietikon-Zürich 1979, S. 34–39, 74–76.

Ernst Grenacher, Schweizer Militärgewehre Hinterladung 1860–1990, 2015, S. 15–17, 78.

Jürg A. Meier, Marc Höchner, Die Berner Jägertruppe entsteht, Schwerter, Säbel, Seitenwehren, Bernische Griffwaffen 1500–1850 (Schriften des Bernischen Historischen Museums, Bd. 15), 2021, S. 108–109, Kat. Nr. 21.
Schlagwörter: Militaria, Waffen