Gewehr der Scharfschützen, Hinterlader mit Senkblockverschluss nach dem System Peabody

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Runder brünierter gezogener Lauf mit drei konzentrischen Zügen. Quadrantenvisier für Stellung von 200 bis 800 m, Sattelkorn (Bajonetthaft). S-förmiger Hahn mit geriffeltem Daumendrücker (Griffoptimierung). Senkblockverschluss bedienbar mittels Bügelbewegung. Eisengarnitur aus Oberband (Halbband als Schaftabschluss), Mittel- und Unterband, je mit Federhalterung. Runder Abzugsbügel, angeschraubtes kurzes Bügelblatt und angeschraubte Kolbenkappe. Je breiter Riemenbügel am Unterband und am Kolben, Letzterer auf geschraubtem Montageblatt. Zweiteilige Nussbaumholzschäftung mit geschweiftem Kolbenabschluss.
Putzstock mit Riffelung und zwei Löchern am Kopf.

Schläge: Auf Verschlusskasten Hersteller «Peabody’s Pat. July 22. 1862 Providence Tool Co. Prov. R. I.». Auf Lauf und Kolbenhals Waffennummer «122». Eidg. Kontrollstempel auf Kolben «M» unter Schweizerkreuz (ab 1871), auf Lauf «W» unter Schweizerkreuz in Oval (ab 1867). Auf Visierkonsole und -blatt «487».
Weitere Kontrollstempel: je auf Mittel- und Unterband und Lauf «U» (Kennzeichen für die Umänderung 1877), je auf Abzugsbügel, Bügelblatt, Montageband neben Verschlusskasten und Kolbenkappe «E», auf Kopf von Putzstock «S».

Kaliber 10.4 mm

Das vierkantige Bajonett fehlt.
Dazu Patrone mit gestanzter Tombakhülse.
Mit dem Bundesratsbeschluss vom 14. Juni 1867 wurden bei der Providence Tool Company in den USA 15 000 Peabody-Gewehre im Kaliber 10.5 mm gekauft, um die eidg. Truppen auszustatten. Diese Gewehre, entwickelt von Henry Oliver Peabody (1826–1903) aus Plymouth County in Massachusetts und 1863 patentiert, standen zur Disposition, weil die US-Armee nach Beendigung des Bürgerkriegs keinen Bedarf für die Waffen mehr hatte. Während einer kurzen Übergangsphase rüstete man die eidg. Scharfschützen damit aus. Ab 1873 bildeten diese Gewehre in der Schweiz die Hauptbewaffnung der Genietruppen.
Bereits 1877 wurden 1000 dieser Gewehre der Schweizer Truppen abgeändert, indem die Eidgenössische Waffenfabrik Bern die ausgeschossenen Exemplare mit neuen, minimal kürzeren Läufen mit optimaler Drall-Länge ausstattete. Zudem verbesserte man die Bajonetthaft. Weitere Veränderungen betrafen den Schlossmechanismus.
Die Munition bestand aus einer Patrone im Kaliber 10.4 mm mit einer Hülse aus Tombak, Randzündung und einem Expansionsgeschoss aus Weichblei mit der Bezeichnung Ordonnanz 1867.
Ab 1887 wurde diese Waffe zurückgenommen und der Kriegsreserve zugeteilt.

Vorliegende Waffe war in der Scharfschützenkompanie im Einsatz, einer militärischen Einheit mit treffsicheren Soldaten (franz. tireur d’élite, Meisterschütze; engl. marksman, das Ziel treffende Person). Die Scharfschützen, meist in dunkelgrüner Uniform, waren für den Feuerschutz der Artillerie und der Infanterie zuständig, verstärkten die in loser Formation den Gegner irritierenden Jäger und verteidigten feste Plätze. Bis 1874 waren die Scharfschützen ein selbständiger, von der Infanterie getrennter Truppenkörper. Gehörten 1807 20 Thurgauer Scharfschützen zum eidgenössischen Heer, waren es 1817 bereits 100 Mann im Auszug sowie 100 Mann in der Reserve und ab 1848 zwei Kompanien à 100 Soldaten und eine Reservekompanie. Die beiden Thurgauer Scharfschützenkompanien hatten die Nummern 5 und 26. Aufgrund der Militärorganisation von 1874 kam es zur Aufhebung der Waffengattung der Scharfschützen. Sie dienten fortan in den Schützenformationen, waren nicht mehr mit besonderen Gewehren ausgerüstet und durchliefen die gleiche Ausbildung wie die Infanteristen. Auch die Einheit der Jäger wurde aufgelöst.
1867–1890
L. 132 cm, Lauf L. 82 cm
Stahl, brüniert; Eisen; Nussbaumholz
Wg 170
Anleitung zur Kenntnis und Behandlung des Peabody-Gewehres, Beschluss des eidg. Militärdepartements vom 26. Febr. 1868, Bern 1876.

Albert W. Schoop, Geschichte der Thurgauer Miliz, Frauenfeld 1948, S. 172–173.

Schweizerischer Schützenverein (Hrsg.), Hand- und Faustfeuerwaffen, Schweizerische Ordonnanz 1817 bis 1967, Frauenfeld 1971, S. 77.

Hugo Schneider, Michael am Rhyn, Eidgenössische Handfeuerwaffen (Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee seit 1817, Bd. 2), Dietikon-Zürich 1979, S. 152, Nr. 1, 169–174.

Clément Bosson, Die Waffen der Schweizer Soldaten, Zug 1982, S. 62–64.

Ernst Grenacher, Schweizer Militärgewehre Hinterladung 1860–1990, 2015, S. 16, 88–89.
Schlagwörter: Militaria, Waffen