Gewehr der Schweizer Infanterie, Repetierer mit Gradzugverschluss nach dem System Schmidt-Rubin, Modell 1889/1896/1911, aus der Sammlung des Thurgauer Kantonalschützenverbands

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Runder brünierter Lauf mit vier Zügen, Verschluss mit Drehhülse und vorne liegenden Verriegelungswarzen, Riegelschieber mit rotbraunem Riegelgriff aus Bakelit, Leitkurvenvisier für Stellung von 300 bis 2000 m, quer zum Lauf eingeschobenes Dachkorn, Oberband mit Klemmschraube rechts und Stift links sowie Bajonetthaft unten, Pyramidenstift (für die Formierung einer Gewehrpyramide während der Pause), Unterband mit Klemmschraube rechts, Federhalterung und Riemenbügel unten, runder angeschraubter Bügel, angeschraubtes Bügelblatt, hinterer Riemenbügel an angeschraubtem Montageblatt.
Vollschäftung mit Handschutz, beidseitigen Griffmulden am Vorderschaft (Schaftnuten), angestückter Pistolengriff am Kolben und leicht geschwungener Kolbenabschluss mit angeschraubter Kolbenkappe. Abnehmbares zweireihiges Kastenmagazin für sechs Patronen. Alle Metallteile ausser Schlagbolzen, Verschluss und Riemenbügel sind brüniert.
Lederner, hinten verstellbarer Tragriemen mit zwei eisernen Doppelniet-Knöpfen.

Schläge: Waffennummer «267213» je auf Lauf, Verschluss, Verschlusshülse und Magazinkasten. Lauf und Verschlusshülse mit Beschussstempel in Form von ligiertem gegenläufigem «BP», unter Waffennummer auf Verschlusshülse kleines «10» (Neuinstandstellung 1910) über «P 49» (Privateigentum ab 1949), auf Lauf «B», daneben herzförmiger Stempel, ovaler Kontrollstempel mit «M» unter Schweizerkreuz (Kontrollpunze ab 1867 von Inspektor Hans von Mechel, 1839–1912). Annahmestempel für Bestandteile in Form von Schweizerkreuz je zwei Mal auf Lauf und Oberband, je einmal auf Verschlusshülse und -halter, Korn, Visier, Magazinkasten, Bügel und -blatt, Abschlussband vom Handschutz, Montageband des hinteren Riemenbügels, Griff vom Riegelschieber, Kolbenkappe und Pyramidenstift. Auf Visierblatt und -distanzschieber sowie Distanzschiebefeder je «611», auf Kolbenkappe «213» (abgekürzte Waffennummer). Auf Kolben «94016» GRAUBÜNDEN» (korrigierte 1, vorher wohl 0) (Kantonale Registrierungsnummer, Beschaffungsnummer des Kantons Graubünden).

Kaliber: 7.5 mm
Ab 1889 wurde die Schweizer Armee mit Karabinern nach dem System Schmidt-Rubin ausgerüstet. Eduard Rubin (1846–1920), Maschineningenieur, Oberst und Direktor der Eidgenössischen Munitionsfabrik Thun, entwickelte in Zusammenarbeit mit Rudolf Schmidt (1832–1898), Oberst und Direktor der Eidgenössischen Waffenfabrik Bern, einen Gewehrtypus mit Gradzugsystem für Vollmantelgeschosse, wobei Schmidt für die Konstruktion des Verschlusses und Rubin für jene der Patrone verantwortlich war.

Bereits nach der ersten Teillieferung des Repetiergewehrs mit Gradzugverschluss Modell 1889 an die Armee 1891 wurden am Verschluss dieser Waffe Optimierungsversuche erprobt, die ab 1895 zu Testläufen mit einem weiterentwickelten Gewehr führten, die positiv ausfielen. Ausschlaggebend war die Verlegung der Verschlusswarzen nach vorne, eine Massnahme nach dem Vorschlag der eidgenössischen Waffenkontrolleure Vogelsang und Rebsamen. 1898 erfolgte der definitive Beschluss durch die Schweizer Regierung zur Einführung des Modells 1889/1896, wobei die Armee nicht mit umgebauten, sondern mit neuangefertigten Exemplaren ausgerüstet werden sollte. Die Waffenfabrikanten stellten daraufhin insgesamt 143 000 Stück her, wovon der grösste Teil zwischen 1912 und 1920 eine Umänderung zum Modell 1896/1911 erfuhr. Auch beim vorliegenden Exemplar wurde diese Ertüchtigung vorgenommen.
Aufgrund der Waffennummer «267213» lässt sich seine Herstellung auf 1900 datieren. Weitere Stempel verweisen auf den Umbau der Waffe 1910 und deren Abgabe an eine Privatperson 1949. Die Angaben auf dem Kolben «94016 GRAUBÜNDEN» belegen, dass der Kanton Graubünden das Gewehr beim Bund gekauft und sie mit einer Registrierungsnummer versehen hat.

Der Repetierer kam in der Folge in den Besitz des 1835 gegründeten Thurgauischen Schützenvereins. Zum Gründungskomitee gehörte auch Prinz Louis Napoléon Bonaparte. Der Ehrenbürger des Kantons Thurgau, Bewohner von Schloss Arenenberg und spätere französische Kaiser Napoléon III., wirkte von 1838–1839 als Vorstandspräsident.
2005 erfolgte die Umbenennung vom Schützenverein zum Kantonalschützenverband. Lange Zeit trugen Vereinsmitglieder Andenken und Ehrengaben von Schiessanlässen zusammen und legten ein umfangreiches Archiv an, zu dem Schenkungen und Nachlässe von regionalen Thurgauer Schützenvereinen kamen.

2016 ging der vielfältige Bestand von ca. 500 Objekten (u.a. Scheiben, Fahnen, Waffen, Gefässe, Medaillen) in den Museumsbesitz über. Einzelne Sammlungsstücke werden seit Jahren in der Schützenstube im ehemaligen Gasthaus Adler in Ermatingen ausgestellt.
1900
L. 130.2 cm, Lauf L. 78 cm
Stahl, brüniert; Eisen; Nussbaumholz; Leder
T 21869
Kurt Sallaz, Michael am Rhyn, Handfeuerwaffen Gradzug-Systeme (Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee seit 1817, Bd. 4), Dietikon-Zürich 1978, S. 38, 57.

Hugo Schneider, Michael am Rhyn, Eidgenössische Handfeuerwaffen(Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee seit 1817, Bd. 2), Dietikon-Zürich 1979, S. 169–174.

Ernst Grenacher, Schweizer Militärgewehre Hinterladung 1860–1990, 2015, S. 472–477.
Schlagwörter: Militaria, Waffen, Vereinswesen