Gewehr mit kombiniertem Rad- und Luntenschlossmechanismus (Muskete), Vorderlader vermutlich der österreichischen Infanterie, aus der Antiquitätensammlung der Familie Bachmann, Besitzerin von Schloss Frauenfeld

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Glatter Rundlauf, hinteres Laufdrittel oktogonal, Übergang mit quer zum Lauf stehender Rippe. Visier mit V-förmiger Kimme. Flache Schlossplatte mit kombiniertem Lunten- und Radschlossmechanismus: Aussenliegendes Rad, Radführung und gewinkelter Schlosshahn. Dazu ein separater Luntenhahn für Schnappermechanismus. Schlosspfanne mit Schiebedeckel (Schutzvorrichtung). Laufbefestigung mit Stiften. Eisenblechgarnitur mit zwei Ladestockpfeifen und Kolbenabschlussblech. Holzladestock aus Buchenholz. Voller Buchenholzschaft. Hahnarm vom Radschloss mit gepunztem Zierelement in Blattform, ebenso Luntenschlosshahn in Blattform.

Schläge: Auf Lauf geschlagene kleine Marke «CW» in Rechteck. Punzen mit gleichem Monogramm bei Heer, Bd. 2, S. 1416, Marke 2338 (Angabe «W C, ..., Thüringen?/D, ca. 1650–60, Radschlossgewehr»), Marke 2339 (Angabe «W C, ..., Thüringen?/D, ca. 1650, Radschlossgewehr») und Marke 2340 (Angabe «W C, .../D 1663, Radschlossgewehr») (Lit.).
Weitere Punzen auf Lauf vermutlich «ZELA» und Suhler Huhnmarke.

Kaliber: 20 mm
Das Radschloss ist eine Erfindung der Renaissancezeit (16. Jh.). Seine Zündung war zwar zuverlässiger als jene beim einfachen Luntenschloss, doch der komplexe Mechanismus war aufwändig in der Anfertigung und daher teuer und erforderte zudem grosse Sachkenntnis. Beim Anschüren der Zündeinrichtung dieses Vorderladers konnten sowohl Lunten (glimmende Zündschnur) als auch Feuersteine zum Auslösen des Schusses verwendet werden.
Die Kombination von verschiedenen Schloss- bzw. Zündsystemen optimierte die Schussabgabe, weshalb sich dieses Gewehr als robuste Kriegswaffe qualifizierte.
Die gegen Endes des 16. Jhs. entwickelte Muskete zeichnete sich, aufgrund ihres glatten langen Laufs, durch eine hohe Mündungsgeschwindigkeit sowie eine gesteigerte Reichweite und Durchschlagskraft aus, weshalb sie im 18. Jh. die Hauptwaffe der Infanterie war. Die Zündung erfolgte mit einer Lunte, später mit einem Rad- oder Steinschlossmechanismus.
Im letzten Viertel des 17. Jhs. lässt sich der Einsatz von Musketen mit zusammengeführtem Lunten- und Radschloss vor allem im Herrschaftsgebiet von Österreich-Ungarn nachweisen. Die Vereinigung verschiedener Schloss- bzw. Zündsysteme optimierte die Schussabgabe.
Vorliegender Gewehrlauf wurde vermutlich in Zella-Mehlis in Thüringen (DEU) hergestellt. In der Region um Zella St. Blasii (heute Zella-Mehlis) wurden aufgrund reicher Erzvorkommen seit dem 14. Jh. Waffen hergestellt. Die Ortschaft gehörte zum Einzugsgebiet der Suhler Waffenindustrie.

Marie Elise Bachmann (1879–1955) vermachte 1948 mittels Erbvertrag dem Kanton Thurgau Schloss Frauenfeld samt Hausrat sowie auch die umfangreiche Antiquitätensammlung ihrer Eltern. Ihr Vater Jakob Huldreich Bachmann (1843–1915), Politiker und Jurist, der 1896 Bundesrichter wurde, sammelte unter anderem Glasscheiben, Gemälde, Waffen und Möbel. Nach dem Tod von Marie Elise Bachmann (1955) übernahm der Kanton die Sammlung. Das Schloss Frauenfeld wurde später zum Historischen Museum Thurgau umgestaltet.
4. Viertel 17. Jh.
L. 151.5 cm, Lauf L. 111.1 cm
Stahl, Eisen, Buchenholz
T 9713
Eugène Heer, Der neue Stöckel, Bd. 2, Internationales Lexikon der Büchsenmacher, Feuerwaffenfabrikanten und Armbrustmacher von 1400–1900, Schwäbisch Hall 1979, S. 1416.

Eugène Heer, Der neue Stöckel, Bd. 3, Internationales Lexikon der Büchsenmacher, Feuerwaffenfabrikanten und Armbrustmacher von 1400–1900, Schwäbisch Hall 1982, S. 1706–1707, 1722–1723.

Erich Gabriel, Die Hand- und Faustfeuerwaffen der habsburgischen Heere, Wien 1990, S. 196–197.

Schlagwörter: Militaria, Hauswirtschaft, Waffen