Glasmalerei: Bildscheibe zum Gedenken an Eberhard von Bichelsee mit Muttergottes und dem hl. Bernhard von Clairvaux mit Jesus (Amplexus), gestiftet in den Kreuzgang vom Zisterzienserinnenkloster Tänikon bei Aadorf, aus der Glasgemäldesammlung der Familie Bachmann, Besitzerin von Schloss Frauenfeld

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In der Mitte erscheint die Strahlenkranzmadonna mit dem Jesusknaben. Zu ihren Seiten befinden sich links der Schild mit dem gevierten Wappen von Kappel sowie rechts dasjenige von Bichelsee. Neben den Wappenschilden knien links der hl. Bernhard, dem sich Christus vom Kreuz aus entgegen beugt, um ihn zu umarmen (sog. Amplexus), und rechts der Klostergründer Eberhard von Bichelsee.

Im Hintergrund ist eine Landschaft mit Alpenpanorama dargestellt. Das Hauptmotiv bildet darin die wohl auf die Burg Bichelsee anspielende Hügelfestung mit der daneben in Trompe-l'œil-Manier festgehaltenen Fliege.
Die Glasmalerei war an einem der rundbogigen Doppelfenster des Kreuzgangs im Zisterzienserinnenkloster Tänikon angebracht. Je fünf Doppelfenster (mit je zwei Scheiben) befanden sich an der West- und Ostseite des Kreuzganges sowie je sechs an der Nord- und Südseite, total dürften es 44 Glasgemälde gewesen sein, die den Kreuzgang schmückten.
1832 verkaufte die Äbtissin des Klosters Tänikon, Maria Rutz, die Scheibe dem Sammler Johann Nikolaus Vincent in Konstanz. Dieser trug in den Jahren von 1816 bis 1865 eine stattliche Anzahl Glasmalereien zusammen, die 1891 von seinen Erben versteigert wurden. Das Kölner Auktionshaus Lempertz erwarb damals die Scheibe. Später gelangte sie zum Sammler Jakob Bachmann (1843–1915), dem Besitzer von Schloss Frauenfeld.

Die vorliegende Scheibe ist eine Gedenkscheibe für Eberhard von Bichelsee (1209–1259), der um 1249 zusammen mit seinem Sohn Eberhard (belegt bis 1287) das Zisterzienserinnenkloster Tänikon gegründet hatte. Die von Bichelsee waren Thurgauer Ministeriale des Fürstabts von St. Gallen.
Wahrscheinlich stiftete die Äbtissin Sophia vom Grüth (gest. 1579), unter deren Regentschaft der Kreuzgang mit Glasmalereien ausgestattet wurde, die Gedenkscheibe zu Ehren des Klostergründers. Neben dessen Wappen von Bichelsee auf der rechten Seite befindet sich links dasjenige der Zisterzienserabtei Kappel, das bis zur Reformation (1524) die Aufsicht über das Kloster Tänikon ausgeübt hatte. Der gevierte Schild enthält die Wappen des Zisterzienserordens (Cîteaux) und der Familie von Eschenbach, die Stifterin der Abtei Kappel. In der Bildmitte steht die Klosterpatronin, die Gottesmutter mit dem Jesuskind. Neben dem Schild von Kappel kniet der hl. Bernhard von Clairvaux, der mythische Gründer des Klosters von Tänikon.
Bluntschli, Niklaus (vor 1525–1605), Glasmaler
1558
H. 32.2, B. 51.9 cm, Lichtmass: H. 29.5, B. 49.3 cm
Farbloses und farbiges Glas; blaues und rotes Überfangglas mit rückseitigem Ausschliff; Bemalung mit Schwarzlot, Silbergelb und Eisenrot
T 6454
https://vitrosearch.ch/de/objects/2655658, aufgerufen am 17.01.2022.

Sarah Keller, Ex situ – Die Sammlung Vincent und ihre Glasgemälde aus dem Thurgau, Licht- und Farbenzauber, Glasmalerei im Thurgau (Denkmalpflege im Thurgau, Bd. 23), 2022, S. 57–67.

Michael Mente, Bares für Rares – Die letzte Äbtissin des Klosters Tänikon, Ebd. S. 69–77.

Silvia Volkart, Ruedi Elser, Die Glasgemälde im Kreuzgang des Klosters Tänikon – Bilderkatalog, Ebd. S. 79–115.
Schlagwörter: Kunsthandwerk, Brauchtum, Kloster, Heraldik, Religion, Landschaft