Glasmalerei: Wappenscheibe des Hans Rudolf Rahn, Zürcher Ratsherr und Bürgermeister, Landvogt in den Freien Ämtern, einflussreichster eidgenössischer Politiker seiner Zeit, aus der Glasgemäldesammlung der Familie Bachmann, Besitzerin von Schloss Frauenfeld

zurück

Vitrocentre Romont (Foto: Yves Eigenmann, Francesco Ragusa, Freiburg i. Ü.)
Vitrocentre Romont (Foto: Yves Eigenmann, Francesco Ragusa, Freiburg i. Ü.)

Vitrocentre Romont (Foto: Yves Eigenmann, Francesco Ragusa, Freiburg i. Ü.)

Im oberen querliegenden Feld sitzt in der Mitte die Frauengestalt der Wahrheit mit einem geöffneten Buch auf den Knien. Darin steht: «Veritas Dominat in aeternum ISA 4» (Die Wahrheit regiert in Ewigkeit). Im Strahlenkranz, der die Figur umgibt, steht: «veritas vincit omnia» (die Wahrheit überwindet alles).
Zu beiden Seiten ist die Geschichte von Elias und den Baalspriestern dargestellt. Links über der Inschrift: «DEVOTIO VERA 3. Reg» (wahre Frömmigkeit) kniet Elias, dessen Altarfeuer von Gott entzündet wird. Rechts sieht man über der Inschrift: «SUPERSTITIO 3 Reg. 18» (Aberglaube) die Baalspriester am Altar, die vergeblich auf die Feuerantwort ihres Gottes warten und rufen: «o Baal, o Rex» (oh Baal, oh König). (1 Kg 18, 37–39).
Im linken hochformatigen Seitenbild ist das Gastmahl Nebukadnezars mit der Menetekelschrift an der Wand abgebildet, unten steht eine Schrifttafel: «FORTE EST VINUM. Daniel 8. Cap.» (stark ist der Wein). Rechts erscheint Judith mit dem Haupt des Holofernes, darunter die Schrifttafel: «FORTIORES SUNT MULIERES. lud. 13. Cap.» (stärker sind die Frauen).
Im unteren Querbild ist die Schlacht des Königs Darius Cyrus dargestellt. Die Inschrift lautet: «FORTIOR EST REX. Daniel 7. Cap.» (stärker ist der König).


Die vier Inschriften auf vorliegender Scheibe beziehen sich auf die apokryphe Geschichte von König Darius und seinen drei Leibwächtern (3. Buch Esra, Kap. 3), die ihm in einem Wettstreit erläutern, was sie für das Mächtigste auf Erden sei.
Diese Aussagen werden auf der Scheibe mit biblischen Szenen verbildlicht. So steht das Gastmahl des Belsazar für die Macht des Weines, die Eroberung Babylons durch Darius den Meder und Kyros II. für die Macht des Königs, Judith mit dem Haupt von Holofernes für die Macht der Frauen und die erfüllte Prophezeiung von Elias für die höchste Macht der göttlichen Wahrheit. Der Vergleich endet damit, dass König Darius den dritten Leibwächter Zorobabel, der für die Macht der göttlichen Wahrheit plädiert hatte, zum Sieger des Wettstreites kürte.
Zorobabel wird daraufhin zum zweiten Mann im Grossreich, gleich nach dem König. In dieser Funktion erinnert Zorobabel den König an sein Versprechen, Jerusalem und den Tempel wieder aufzubauen. Die Geschichte dieses Triumphs der Wahrheit und des Wiederaufbaus der gottesfürchtigen Gemeinde war ein beliebtes Thema der reformatorischen Autoren.

Hans Rudolf Rahn (1560–1627) trat 1586 in Zürich als geschworener Schreiber in den Staatsdienst ein und erhielt gleichzeitig als Vertreter der Widderzunft Einsitz im Grossen Rat. Nur zwei Jahre später gelangte er in den Kleinen Rat und diente 1587–1608 als Zensor, 1588–1606 als Obervogt von Wiedikon, 1590 als eidgenössischer Landvogt in den Freien Ämtern sowie 1594–1606 als Obmann gemeiner Klöster. 1607 erhielt er das Amt des Bürgermeisters von Zürich. Er arbeitete am Gachnangerhandel von 1610 massgebend mit, um einen Krieg mit den katholischen Orten zu verhindern und neue Bündnisse mit dem Markgrafen von Baden-Durlach (1612), mit Frankreich (1614) und Venedig (1615) abzuschliessen. Rahn war zu seiner Zeit eine der bestimmenden Persönlichkeiten der eidgenössischen Politik.
Murer, Josias (1564–1631), Glasmaler
1607
H. 33.4, B. 23.2 cm, Lichtmass: H. 31.5, B. 20.7 cm
Farbloses und farbiges Glas; rotes Überfangglas mit rückseitigem Ausschliff; Bemalung mit Schwarzlot, Silbergelb und Eisenrot sowie blauer, violetter und grüner Schmelzfarbe
T 6461
https://vitrosearch.ch/de/objects/2655775, aufgerufen am 16.01.2022.
Schlagwörter: Kunsthandwerk, Brauchtum, Herrschaft, Heraldik, Religion, Allegorie