Grober brauner Wollstoff, hergestellt in der Strafanstalt Tobel

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  Fotografie der Weberei um 1950. Aus: Rothenbühler, S. 145, Abb. 51.

Stoff zur Anfertigung von Häftlingskleidung oder produziert für den Verkauf.
1837 wurde in der Strafanstalt eine Weberei mit 17 Webstühlen eingerichtet. Da das Weben den meisten Häftlingen vertraut war, lag diese Tätigkeit als Gefangenenarbeit auf der Hand. Produziert wurde für den eigenen Bedarf und für Textilfabrikanten wie für die Firmen Rutishauser & Kreis in Oberaach und J. Müller & Söhne in Wil, für welche die Anstalt Baumwollstoff webte sowie Garn spulte. Ein weiterer Arbeitgeber war die kantonale Zeughausverwaltung, die in Tobel Stoff für Uniformen und Zubehör bestellte. Produziert wurden gebleichte und rohe Leinwandstoffe, Zwilch (Stoff in zweifacher Köperbindung), Drilch (dreifache Köperbindung) für Matratzen, Barchent (Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen) für Bettwäsche, karierte Leinenstoffe (sogenanntes Kelsch) sowie Textilien für Säcke. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs begann man Flickenteppiche aus Altstoffen zu weben, was sich zu einem erfolgreichen Geschäft mit Kunden in der ganzen Schweiz entwickelte.

1811 eröffnete der Kanton Thurgau in der ehemaligen Malteserkommende Tobel die erste kantonale Strafvollzugsanstalt für Frauen und Männer. Die sowohl als Zucht- wie auch als Arbeitshaus dienende Einrichtung hatte zum Ziel, Obdachlose, Landstreicher und Landstreicherinnen, «Arbeitsscheue» und «Liederliche» mittels produktiver Beschäftigung zu disziplinieren, weshalb alle Häftlinge in einen Arbeitsprozess einbezogen waren. Einerseits wurden sie ausserhalb der Anstalt eingesetzt und mussten beim Strassenbau sowie in der Industrie und im Gewerbe Hand anlegen, andererseits waren sie in den hauseigenen Werkstätten (Weberei, Flechterei, Schreinerei) und im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb tätig. Die weiblichen Gefangenen übernahmen hauswirtschaftliche Tätigkeiten wie Spinnen, Nähen, Waschen und Kochen. 1829 trennte man die Zuchthaus- von den Arbeitshausinsassen und -insassinnen. Bis 1840 unterstand die Institution der Zucht- und Arbeitshauskommission, danach oblag die Kontrolle direkt dem Polizei- und Justizdepartement.

1950–1973
H. 60, B. 89 cm
Wollstoff
T 21840
Verena Rothenbühler, Hinter Schloss und Riegel, Die Strafanstalt Tobel 1811–1973, in: Im Tobel der Busse, Komturei und Strafanstalt Tobel 1226–2014 (Thurgauer Beiträge zur Geschichte, Bd. 152), Frauenfeld 2015, S. 79–202, bes. 144–146.
Schlagwörter: Staatliche Institutionen, Justiz, Handwerk, Textilien, Bekleidung