Leibfessel aus der Strafanstalt Tobel

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Bandförmige Leibfessel aus zwei, mit Scharnier verbundenen Reifenteilen. Verschluss aus eckiger Metalllasche, in der die vorspringenden Bandansätze liegen. Die Sicherung erfolgte durch ein Vorhängeschloss, das an der kreuzförmigen Aussparung der Lasche angebracht werden konnte.

Der enganliegende Leibring wurde dem Häftling vermutlich beim Gang zum Gerichtsprozess oder zur Hinrichtungsstätte angelegt. Die letzte Enthauptung mittels Schwert wurde im Kanton Thurgau 1853 vollzogen. Die Richtstätte befand sich im Galgenholz ausserhalb von Frauenfeld. Womöglich trugen auch besonders auffällige Sträflinge zur Disziplinierung einen Gurt, der bei Bewegungen im Sinne einer haftverschärfenden Massnahme Schmerzen auslöste. Mit Leibringen gefesselt waren zudem Verurteilte, die an den Pranger gestellt wurden, was zu den Schandstrafen zählte. Die Person verlor durch diese Bestrafung ihr gesellschaftliches Ansehen innerhalb des Gerichtsbezirks und wurde von da an nicht mehr als ehrbar angesehen. 1804 wurde diese Strafe nochmals gesetzlich verankert. Die Thurgauer Regierung übernahm das «Peinliche Gesetzbuch» der Helvetischen Republik, weshalb Körperstrafen wie das «Staupbesen» (das Schlagen des Verurteilten am Pranger), die «Brandmarkung» und die «öffentliche Ausstellung» beibehalten wurden.
1868 verordnete der Thurgauer Regierungsrat die Abschaffung der Kettenstrafe. Bis 1936 blieb dennoch die Möglichkeit bestehen, renitente Gefangene anzuketten.

1811 eröffnete der Kanton Thurgau in der ehemaligen Malteserkommende Tobel die erste kantonale Strafvollzugsanstalt für Frauen und Männer. Die sowohl als Zucht- wie auch als Arbeitshaus dienende Einrichtung hatte zum Ziel, Obdachlose, Landstreicher und Landstreicherinnen, «Arbeitsscheue» und «Liederliche» mittels produktiver Beschäftigung zu disziplinieren, weshalb alle Häftlinge in einen Arbeitsprozess einbezogen waren. Einerseits wurden sie ausserhalb der Anstalt eingesetzt und mussten beim Strassenbau sowie in der Industrie und im Gewerbe Hand anlegen, andererseits waren sie in den hauseigenen Werkstätten (Weberei, Flechterei, Schreinerei) und im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb tätig. Die weiblichen Gefangenen übernahmen hauswirtschaftliche Tätigkeiten wie Spinnen, Nähen, Waschen und Kochen. 1829 trennte man die Zuchthaus- von den Arbeitshausinsassen und -insassinnen. Bis 1840 unterstand die Institution der Zucht- und Arbeitshauskommission, danach oblag die Kontrolle direkt dem Polizei- und Justizdepartement.

19. Jh.
H. 5, B. 39, T. 28 cm
Eisen, geschmiedet
T 21846
Verena Rothenbühler, Hinter Schloss und Riegel, Die Strafanstalt Tobel 1811–1973, in: Im Tobel der Busse, Komturei und Strafanstalt Tobel 1226–2014 (Thurgauer Beiträge zur Geschichte, Bd. 152), Frauenfeld 2015, S. 79–202, bes. S. 135–137, Abb. 47.

Schlagwörter: Staatliche Institutionen, Justiz