Luntenschloss-Muskete, Vorderlader mit Konstanzer Brandmarke, Jagdgewehr mit Beineinlagen in Form von Seeungeheuern und Konstanzer Brandmarke

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Aus einem Radschloss umgeändertes Luntenschloss.

Sehr schwerer oktogonaler brünierter Lauf mit zwölf Flachzügen. Geschwärztes Schloss mit originaler Schlossplatte, jedoch Radschlossmechanismus abmontiert und durch sehr einfachen Luntenhahn ersetzt. Schlossplatte mit Löchern der ehemaligen Schlosskonstruktion. Keine Garnitur. Stiftbefestigung mit tw. fehlenden Stiften. Geschweifter Bügel aus Blech. Schmaler spitz zulaufender geschweifter Abzug.
Langer Zieleinschnitt auf Laufangel und Lauf. Visier mit V-förmiger Kimme und klappbarer Scheibe mit Loch. Vollschaft in Form eines deutschen Jagdschafts aus Kirschbaumholz mit kantigen Graten und untere plattenartige Verbreiterung am langen schlanken Kolben, Kolbenkappe fehlt. Schaft mit gravierten geschwärzten Einlagen mit fantastischen Seeschlangen und -schnecken mit Zähnen und Schnäbeln sowie Reserven mit Voluten und stilisiertem Eierstab (Kolben). Entlang der Schaftkanten sowie der Ladestockführung schmale Filets. Ladestockpfeifen und Ladestock fehlen.

Auf Lauf auf gleicher Höhe gravierte «C» und «H». Vergleichbare Marke aufgeführt bei Heer, Bd. 1, S. 561, Marke 2195 (Lit.) mit der Angabe «..., Sachsen?/D, ca. 1650. Radschlossgewehr» und dem Hinweis, dass sich im Musée national du Moyen Âge (Musée de Cluny) in Paris eine Waffe mit der gleichen Marke befinden würde.
Kolben mit Brandstempel Konstanz (Konstanzer Wappen in eingezogenem Schild) und Nummer «5» sowie eingekerbtes «JR»?
Luntenschlösser waren vom 14. bis zum 17. Jh. in Gebrauch. 1475 wurde das Luntenschnappschloss erfunden, bei dem ein gespannter Federmechanismus die Lunte (glimmende Zündschnur) zur Schlosspfanne steuert. Das Zündsystem des im 16. Jh. eingeführten Radschlosses war zwar zuverlässiger als jenes des einfachen Luntenschlosses, sein komplexer Mechanismus war jedoch aufwändig in der Anfertigung und daher teuer und erforderte zudem grosse Sachkenntnis.
Ein Rückbau vom technisch fortgeschritteneren Rad- zum Luntenschloss, wie beim vorliegenden Gewehr, ist unüblich und vermutlich als historisierende, dem Historismus geschuldete Rückführung oder gar als Restaurierung zu verstehen, die vermutlich im musealen Kontext zustande gekommen ist. Das Gewehr kam in den 1880er-Jahren in die Museumssammlung, womöglich erfolgte damals seine Umänderung.

Die gegen Endes des 16. Jhs. entwickelte Muskete zeichnete sich, aufgrund ihres glatten langen Laufs, durch eine hohe Mündungsgeschwindigkeit sowie eine gesteigerte Reichweite und Durchschlagskraft aus, weshalb sie im 18. Jh. die Hauptwaffe der Infanterie war. Die Zündung erfolgte mit einer Lunte, später mit einem Rad- oder Steinschlossmechanismus.
1. Hälfte 17. Jh.
L. 149 cm, Lauf L. 112.5 cm
Stahl; Eisen; Kirschbaumholz; Bein, eingelegt, geschwärzt
Wg 447
Bürgergemeinde Frauenfeld
Catalog (Inventarium), Thurgauische Historische Sammlung, Hinteres Kantonsschulgebäude 3. Stock in Frauenfeld (Weinfelden 1890), S. 59.

Eugène Heer, Der neue Stöckel, Bd. 1, Internationales Lexikon der Büchsenmacher, Feuerwaffenfabrikanten und Armbrustmacher von 1400–1900, Schwäbisch Hall 1978, S. 561, Marke 2195.

Eugène Heer, Der neue Stöckel, Bd. 3, Internationales Lexikon der Büchsenmacher, Feuerwaffenfabrikanten und Armbrustmacher von 1400–1900, Schwäbisch Hall 1982, S. 2244.

Peter H. Kunz, Technische Entwicklung der Feuerwaffe 1200 bis 1900, Eine Zusammenfassung der wichtigsten historischen und technischen Daten in Texten, Zeichnungen und Bildern, Zürich 2008, S. 189–191, 299.
Schlagwörter: Hauswirtschaft, Freizeit, Jagd, Persönliche Accessoires, Waffen, Kunsthandwerk, Tier