Malerei: Überlebensgrosses Porträt des Grenadiers Josef Gsell mit Bärenfellmütze und stattlichem Schnauz, Elitesoldat im Dienst bei Beda Angehrn, Fürstabt von St. Gallen (1767–1796) und Thurgauer Gerichtsherr mit Recht zur Mannschaftsaushebung

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Grenadiere setzten sich besonderen Gefahren aus, da sie für den Einsatz der Handgranaten zuständig waren. Sie gehörten zum militärischen Kader und durften wie Josef Gsell einen prägnanten Schnauz tragen.
Der stattliche 30-jährige Gsell ist mit einer für Grenadiere üblichen hohen Bärenfellmütze mit rotem zipfelartig herunterhängendem Futter ausgestattet. Zudem trägt er einen blauen Waffenrock (Juste-au-corps) mit rotem Umlegekragen, gleichfarbigem Rockfutter und Ärmelaufschlägen sowie eine Weste und eine Hose in Blau, wobei der Rock und die Weste weisse Knopflitzen aufweisen.
Gsell ist bewaffnet: In seiner rechten Hand hält er eine Halbarte, am weissen Leibgurt hängt ein Säbel mit einem Messinggefäss im ungarischen Stil. Diese Waffen entsprechen nicht der feldmarschmässigen Ausrüstung, welche zu jener Zeit üblicherweise aus einem Steinschlossgewehr samt Bajonett sowie einem einfachen Säbel bestand. Die Ausstattung von Gsell kommt bestenfalls für Paraden oder zeremonielle Anlässe in Frage. Vielleicht hat hier auch der Maler seiner Phantasie freien Lauf gelassen. Am Schulterriemen (Bandalier) ist auf Brusthöhe von Gsell eine kupferne Büchse befestigt, welche zur Aufnahme der Lunte diente, mit der die mit Schwarzpulver gefüllten, kugelförmigen Granaten aus Eisen, gebranntem Ton oder Glas gezündet wurden. Am unteren Riemenende hängt eine schwarze Patronen- oder Granatentasche. Gamaschenartige, zuweilen seitlich geknöpfte Strümpfe und schwarze Schuhe vervollständigen das Bild des äbtischen Grenadiers.
Wahrscheinlich diente die farbenfrohe hohe Tafel den Anwerbeaktionen für Grenadiere im 2. Schweizer Regiment, das der spanischen Krone diente und unter der Obhut von Fürstabt Beda Angehrn von St. Gallen stand. 1758 erwarb der St. Galler Abt Cölestin Gugger von Staudach, der Vorgänger von Angehrn, das 1743 aufgestellte Regiment, das aus vier Bataillonen bestand. Dieses zählte vier Kompanien mit je 600 Füsilieren und je 100 Grenadieren. Letztere gehörten zur Elite der Linieninfanterie und waren für den anspruchsvollen Einsatz der Handgranaten ausgebildet.
Die Rekrutierung der Soldaten erfolgte durch zwei Werbeoffiziere im äbtischen Herrschaftsgebiet, darunter in vielen Ortschaften des Ostthurgaus, wo der St. Galler Abt seit Jahrhunderten das Recht zur Truppenaushebung (Mannschaftsrecht) ausübte, so u.a. in Sommeri, Wuppenau, Sitterdorf, Romanshorn, Kesswil, Hagenwil, Hauptwil und Zihlschlacht. In letzterer Gemeinde befand sich die Tafel, bevor sie Ende des 19. Jhs. dem Museum übertragen wurde.
Die angeworbenen Söldner marschierten, begleitet von einem Rekrutenführer, über den Gotthard nach Genua und gelangten von dort per Schiff zum Sammelplatz nach Barcelona. Bei ihrer Truppe angekommen, erfolgte die Musterung und der Fahneneid.
Die fürstäbtischen Söldner kämpften für die spanische Krone aufgrund des österreichischen Erbfolgekriegs (1740–1748) in den französischen Alpen, in der Provence, an der Riviera, in Genua und Mailand. 1762/63 marschierten sie gegen Portugal und 1793–1795 gegen das revolutionäre Frankreich. Sondereinsätze hatten die auf schwierige Scharmützel spezialisierten Grenadiere zu leisten. So in Algier im Kampf gegen die Seeräuberei und bei der Erstürmung der britischen Festung Gibraltar, wobei beide Unternehmungen erfolglos verliefen.
Das St. Galler Regiment im Dienst des spanischen Königs kommandierte 1743–1773 der aus Nyon stammende Georges Dunant. Ihm folgte der St. Galler Josef Fidel Freiherr von Thurn und Valsassina und ab 1791 der Luzerner Christoph Rüttimann, der letzte Regimentsführer unter dem St. Galler Abt. Denn der Truppenlieferungsvertrag zwischen Abt und spanischer Regierung lief 1798 aus und wurde nicht mehr erneuert. Noch vor Ablauf der Frist wurde die militärische Einheit in ein ambulantes Regiment umgestaltet, das an keinen bestimmten Kanton mehr gebunden war. So rekrutierten Werbeoffiziere ab 1804 Soldaten in den Kantonen Luzern, St. Gallen und Thurgau.
1770
H. 222, B. 64, T. 1.5 cm
Öl auf Tannenholz
T 462
Leo Neuhaus, Die Schweizerregimenter in Spanien 1734–1835 (Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Bd. 8), 1958, S. 226–230.

Louis Hürlimann, Wiler und Toggenburger Söldner in spanischen Diensten (Toggenburger Annalen, kulturelles Jahrbuch für das Toggenburg, Bd. 1), 1974, S. 9–16.

Stephan Staub, Jus Statutarium veteris territorii Principalis Monasterii Sancti Galli, Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte von Kloster und Kanton St. Gallen, Dissertation Hochschule St. Gallen, 1988, S. 12–15, 52, 59–67.

Jürg A. Meier, Abbildungen verschiedener Truppen der Schweizer Miliz bis Ao. 1798 als dem letzten Jahr des Foederativ Systems u. dem 1sten der helvetischen Freiheit, Uniformenhandschrift Streuli, Wädenswil, 1798–1800, Umschrift der Handschrift (Original im Schweizerischen Nationalmuseum), Zürich 2014, S. 98.

Adrian Zeller, Söldner: Armut, Abenteuerlust und Aussicht auf Beute, in: Die Ostschweiz, 31.08.2023. https://www.dieostschweiz.ch/artikel/soeldner-armut-abenteuerlust-und-aussicht-auf-beute-l6VEKdK, aufgerufen am 25.03.2024.
Schlagwörter: Malerei, Porträt, Kommunikation, Werbung, Herrschaft, Militaria, Kirche