Militärisches Übungsgerät: Schiess-Simulator für die Artillerie, Modell «Baranoff», mit Geländemodell und Zubehör, aus der Kaserne Frauenfeld

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  Geländerelief

Beschreibung in Vorderansicht:
Erste Ebene: Holzsockel mit gusseisernem Traggestell (socle), den oberen Abschluss bilden zwei Gleitbahnen (glissières), auf denen der Apparat in der Längsrichtung justiert werden kann. Grüne Bemalung. Seitlich auf einer Gleitschiene Skala, darauf Aufschrift «BAZIS BASE DE SURVEILLANCE».
Zweite Ebene: Auf den Gleitschienen der ersten Ebene in Längsrichtung verschiebbares gusseisernes, grün bemaltes Gestell, oben zwei Gleitbahnen, auf denen die dritte Ebene befestigt ist, die in Querrichtung verschoben werden kann. Seitlich je ein Treibrad (volants de surveillance) und unten mittig ein grosses Treibrad (volant des distances topographiques). Unten angehängt eine Walze, mit fünf verschiedenen Skalen, vier davon sind mit Himmelsrichtungen bezeichnet (nord, est, sud, ouest). Auf der Vorderseite eine Skala, bezeichnet mit «SCHUSSDISTANZÄNDERUNGEN / VARIATIONS DE PORTEE», angebracht über einem schwarzen Messband, das zwei kleine Walzen (je eine auf einer Seite) miteinander verbindet.
Dritte Ebene: Auf den Gleitschienen der zweiten Ebene in Querrichtung verschiebbares gusseisernes, mit grüner Farbe bemaltes Gestell, oben zwei Gleitbahnen (glissières des dérives) in Längsrichtung, auf denen die vierte Ebene befestigt ist, welche die Höheneinstellungen ermöglicht. Vorne am Gestell Skala, darüber zwei Messingschilder «DISTANCE TOPOGRAPHIQUE / SCHUSSDISTANZ». Zwischen den zwei oberen Gleitschienen ist eine in Längsrichtung verschiebbare Holzplatte (cadre goniomètre) angebracht. In die Gleitbahnen (für die vierte Ebene) wurden die Flugbahntafelröhren eingesetzt.
Vierte Ebene: Grün bemaltes Gusseisengestell mit mittig angebrachter Zeigestockvorrichtung (poignée du tire-feu).
Das ganze Gestell ist mehrfach sowohl quer-, längs- als auch höhenverstellbar. Auf dem Quergestell Herstellerangabe «APPAREIL DE TIR FICTIF (ARTILLERIE TERRESTRE) HUET PARIS SOCIETE GENERALE D’OPTIQUE 76 BOULEVARD DE LA VILLETTE NO. 46 [Gerätenummer?]». Daneben Schild mit Warnhinweis. Linke Justiersäule (colonne d’éclatement) mit drei Einstellungsmöglichkeiten mittels röhrenförmigen Einstelltrommeln (tubes des évents), zweimal für die Tempierung (Flugbahndauer) und einmal für den Geländewinkel sowie weitere Einstellungsmöglichkeiten. Vorne auf der Säule weitere Skalen (Ortshöhe). Rechte Justiersäule mit drei Einstellungsmöglichkeiten mittels Röhren (Breitensteuerung, Geländewinkel, Tempierung). Vorne weitere Skalen (Ortshöhe). Rechte und linke Justiersäulen miteinander durch Querbalken verbunden. Zweite Säule von links (le montant) mit Hebelgriff (levier de manœuvre), über den die Zeigestockvorrichtung durch eine Kette verschoben werden kann, darüber Aufkleber «Laden ohne Schaden». Dritte Säule von links (colonne mobile) mit Zielvorrichtung bestehend aus einem schwenkbaren Zeigestock, der über eine Querstange und eine höhenverstellbare Säule mit der vierten Ebene verbunden ist.
Mit Abdeckhülle aus granitblauem Stoff.
Schiess-Simulatoren sind Übungsgeräte für die Anwendung von Waffen. Bis in die 1970er-Jahre handelte es sich bei diesen Apparaturen häufig um komplizierte und grosse mechanische Geräte in verschiedenen Bauweisen. Seither kommen weitgehend elektronische Trainingsgeräte zum Einsatz. Mit Simulatoren kann auf die Verwendung von Explosivstoffen verzichtet werden. Sie dienten vor allem der rechnerischen Ausbildung von Offizieren und Schiess-Spezialisten.

Der in der Kaserne Frauenfeld eingerichtete mechanische Schiess-Simulator war von 1928 bis 1978 in Betrieb. Dafür wurden eigens zwei Räume im Erdgeschoss der Kaserne ausgestattet und der Apparat dort installiert. Dessen abbaubare Teile wurden 1982 in die Sammlungen des Historischen Museums Thurgau überführt, am Ort verblieben weiterhin Bodenmarkierungen und Mobiliar. Die anspruchsvolle Bedienung dieses Instruments musste von einer hierfür speziell ausgebildeten Mannschaft von vier bis fünf Personen durchgeführt werden. Diese mussten an der mechanischen Anzeige die sogenannten Schiesselemente einstellen und konnten dann den «Treffer» an einem Schwenkarm über einem für diesen Zweck angefertigten Geländerelief anzeigen lassen. Da der Simulator nicht einzig für einen Geschütztyp mit entsprechenden Ladungen zu dienen hatte, liessen sich sowohl die Bedienelemente als auch die Einstellskalen jeweils anpassen, was zu einem umfangreichen Satz an Zubehörteilen führte. Deshalb gehören zu diesem grossen schweren Apparat topografische Reliefs (Geländemodell) und Kartenwerke sowie ein Panoramabild, im weiteren Einstell- und Skaliervorrichtungen, Winkelmessinstrumente, Massstäbe, Schiesspläne, Flugbahnkarten, Wandtafeln zur Dokumentation der Übungen, Beobachtungsgeräte und Scheinwerfer.
Generationen von Artillerieoffizieren der Schweizer Armee wurden an diesem bzw. den anderen fünf in der Schweiz vorhandenen Geräten ausgebildet. Die Apparate erfüllten somit sehr lange ihren Zweck.

Die Übungsgeräte wurden nach dem Modell des Offiziers Valentin Baranoff (1893–1974) von der Firma Huet in Paris hergestellt, wobei sie eine ständige Ertüchtigung erfuhren. Auch in der Schweiz kam es während den Jahren immer wieder zu Reparaturen und Veränderungen, was auch am Frauenfelder Baranoff sichtbar ist.
Das zugehörige Geländerelief zeigt einen Ausschnitt in der Nähe des Waffenplatzes Thun. Auch eine umfangreiche «Betriebsanleitung» liegt vor.

Das vorliegende Exemplar wurde 1980 von der Kriegsmaterialverwaltung in Bern dem Museum geschenkt. Womöglich stand diese Schenkung im Zusammenhang mit der seit den 1960er-Jahren bestehenden Idee, in Frauenfeld ein Artilleriemuseum zu eröffnen. Führend bei der Diskussion waren Vertreter des Historischen Museums Thurgau und des Zeughauses in Frauenfeld. Um das Projekt voranzutreiben, bestellten beide Parteien in gegenseitiger Absprache bei der eidg. Kriegsmaterialverwaltung (KMV) in Bern (Direktion der Zeughausbetriebe) ausgeschiedene Waffen samt Zubehör und lagerten die militärischen Güter im Zeughaus in Frauenfeld. Der Frauenfelder Baranoff-Apparat befindet sich nach wie vor dort.
1928–1978 in Betrieb
ca. H. 300, B. 400, L. 600 cm
Stahl, Gusseisen, Holz, Modellgips (Geländemodell), Papier (Karten)
T 5660.1–22
Henri Habegger, Artillerie-Schiessausbildungsgeräte, Vom Baranoff-Apparat zum Artillerie-Simulator 77, in: Artillerie-Kollegium, Neujahrsblatt der Feuerwerker-Gesellschaft auf das Jahr 2005, Zürich 2004.

Hansjörg Brem, der Apparat eines gewissen Herrn Baranoff. Virtuelle Welten von einst aus der Stadtkaserne Frauenfeld, in : Die Kaserne wird zivil, Militär und Volk in Frauenfeld, 2023, S. 75–92.
Schlagwörter: Militaria, Messwesen, Bildungswesen, Waffen, Technische Instrumente