Münze: Denar des römischen Kaiserreichs, geprägt in Rom zur Zeit von Kaiser Caracalla (211–217 n. Chr.)

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Vs.: Umschrift: «ANTONINVS PIVS AVG BRIT» (Antoninus Pius Augustus Britannicus). In Perlkreis Porträtbüste von Caracalla nach rechts, mit Lorbeerkranz (Symbol des Siegs und Ruhms).
Rs.: Umschrift: «P M TR P XVI COS IIII P P» (Pontifex Maximus Tribunicia Potestate Sexta Decima [Inhaber der tribunizischen Gewalt zum 16. Mal] Consul Quartum [zum 4. Mal Konsul] Pater Patriae). In Perlkreis stehende Libertas (allegorische Gottheit der Freiheit) nach links, in der Linken eine Vindicta (Stab, der wiederum bei der Freilassungszeremonie zum Einsatz kam) und in der Rechten den Pileus (Filzkappe, die ein Sklave nach dem Akt seiner Freilassung trug) haltend.
Lucius Septimius Bassianus war ab 211 n. Chr. unter dem Namen Marcus Aurelius Severus Antoninus römischer Kaiser und führte den Spitznamen Caracalla, da er sich mit dem gleichnamigen Kleidungsstück, einem keltisch-germanischen kurzen, eng anliegenden Reisemantel mit Kapuze kleidete, wobei sein Mantel länger war. Caracalla gilt als grausamer Herrscher, seine Regierungszeit als Tyrannei. Bereits 195/196 n. Chr. im Alter von 8/9 Jahren von seinem Vater Kaiser Septimius Severus zum designierten Thronfolger (Caesar) und kurz darauf zum Augustus erhoben, zeigen Münzemissionen aus dieser Zeit sein Porträt mit einem kindlichen ruhig freundlichen Knabengesicht. Sie heben sich deutlich ab vom Porträt des späteren Caracalla. Dieses weist, wie das vorliegende Münzbild, scharf geschnittene Gesichtszüge mit prägnanter horizontaler Stirnfalte über den Augenbrauen, wulstige gehöckerte Nase, wulstige Lippe, vorspringendes Kinn und stechenden Blick auf. Charakteristisch für das Erscheinungsbild von Caracalla ist sein imposanter dichter Kopfhaarwuchs mit ausgeprägten Korkenzieherlocken, die über der Stirn abstehen und seinen wilden Gesichtsausdruck betonen. Die Umschrift auf der Vorder- wie Rückseite des Denars benennt die Titel des Kaisers, u.a. «Britannicus», der ihn als Bezwinger von Britannien ausweist. Der von seinem Vater übernommene Siegertitel deklariert die Kompetenz von Caracalla als Feldherr. Das Prädikat «Pius» verweist zudem auf seine Rechtschaffenheit und Legitimation als Herrscher. Diese Münzbotschaften wurden in einer turbulenten Zeit bekannt gegeben, als die römische Elite sich zusehends gegen den Kaiser wendete und die Reichsgrenzen bedroht waren. Mit der Ausgabe dieser Münze verkündet Caracalla seine Qualitäten als Herrscher. Mit der Darstellung der Libertas auf der Rückseite der Münze propagiert er zusätzlich die Befreiung des römischen Staats aus Krisenzeiten und, als Folge davon, die erlangten Freiheiten für die Römer und Römerinnen sowie für das Römische Reich. Diese Errungenschaften waren das Verdienst des auf der Vorderseite der Münze abgebildeten Kaisers.
Der Pileus und die Vindicta kamen beim Prozess der Freilassung eines Sklaven zum Einsatz. Der römische Aktführer (Adsertor) berührte den Kandidaten mit dem Vindicta-Stab und erklärte ihn für frei. Nun war es diesem erlaubt, die Toga und den Freiheitshut, den Pileus, zu tragen.

Das antike Exemplar war im Besitz der Kantonsschule Frauenfeld, die 1853 eröffnet wurde und im 19. Jh. eine Sammlung pflegte, die neben botanischen, zoologischen und ethnografischen auch numismatische Stücke umfasste. Letztere kuratierte der Kantonsschullehrer Josef Büchi (1849–1921), Altphilologe, Althistoriker und Aktuar des Historischen Vereins des Kantons Thurgau, der die Münzensammlung inventarisierte und dazu den ersten Münzkatalog verfasste, in welchem um die 200 Einzelstücke neben der summarischen Registrierung der 155 im Schaarenwald bei Schlatt ausgegrabenen Exemplare beschrieben sind.
213 n. Chr.
D. 19.2 mm
Silber, Prägung
T 34685
Catalog (Inventarium), Thurg. Hist. Sammlung, Hinteres Kantonsschulgebäude 3. Stock in Frauenfeld, Weinfelden 1890, S. 13.

Josef Büchi, Münzinventar, 1893?, S. 50, Nr. 16.

Gustav Büeler, Joseph Büchi (Nachruf) (Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Bd. 60), 1921, S. 92–94.

Harold Mattingly, Edward Allen Sydenham, Pertinax to Geta (The Roman Imperial Coinage, Bd. 4.1), London 1936, Nr. 209.

Andreas Pangerl, Porträttypen des Caracalla und des Geta auf
römischen Reichsprägungen – Definition eines neuen Caesartyps des Caracalla und eines neuen Augustustyps des Geta, Archäologisches Korrespondenzblatt 43, 2013, heiJOURNALS, Heidelberger OJS-Journals, Universität Heidelberg, Universitätsbibliothek Heidelberg.
Schlagwörter: Numismatik, Herrschaft, Porträt, Symbol, Mythologie, Allegorie