Petschaft: Achteckiger Siegelstempel der kantonalen Verwaltung des Kantons Thurgau zur Blindprägung des Stempelpapiers, mit Handhabe

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Vs.: Stehende Frauenfigur, welche mit der einen Hand den mit Girlanden behängten Thurgauer Wappenschild hält und mit der anderen Hand denselben mit einem Lorbeerkranz (Symbol des Sieges) bekränzt, darunter der Schriftzug: «C. THURGAU».
Rs.: Eiserne Handhabe aus rechteckigem, gedrungenem Schaft, mit abgesetztem, massivem, achteckigem Fuss. Handhabe zum Einspannen in die Siegelpresse.
Der vorliegende Siegelstempel wurde zur Kennzeichnung des offiziellen Stempelpapiers benutzt. Die Stempelsteuer wurde im Kanton Thurgau ab 1804 für bestimmte offizielle Dokumente erhoben und stellte eine Verbrauchersteuer dar. Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern wurde bei der Ausstellung amtlicher Dokumente ein besonderes, im Voraus gestempeltes Papierblatt (Stempelpapier) benutzt. Die obere linke Blattecke ist auf den Thurgauer Dokumenten jeweils mit der Darstellung des Siegelstempels von Balthasar Vorster versehen, der eine stehende Frauenfigur als Symbol der Vaterlandsliebe mit dem Thurgauer Wappenschild als farbloses Relief (Blinddruck) zeigt.
Die erfolgte Bezahlung der Stempelsteuer wurde mit einem kleinen Fiskalstempel in schwarzer Tinte unten rechts auf dem Dokument bestätigt. Ab 1897 benutzte die kantonale Verwaltung Stempelmarken (Gebührenmarken), die erworben und auf das amtliche Dokument geklebt wurden.

Die Mediationsakte vom 19. Februar 1803 begründete den Kanton Thurgau. Nachdem das Wappen der Landvogtei Thurgau kurzzeitig als Kantonswappen in Gebrauch war, wurde dieses leicht abgewandelt mit dem Beschluss vom 13. April 1803 zum gültigen Wappen erklärt. Anstelle der Farbe Rot im ehemaligen Landvogteiwappen traten nun die Farben Grün und Weiss. Der goldene Schrägbalken und die Kronen auf den Löwenköpfen verschwanden. Somit entstand das Thurgauer Wappen mit einem schräggeteilten Wappenschild mit je einem springenden Löwen in grünem und silbernem Feld. Die goldene Farbe der Löwen wurde erst 1931 definiert.
Die Farbe Grün stand als Symbol für die errungene Freiheit und wurde bewusst als Wappenfarbe in den neu gegründeten Kantonen Thurgau, St. Gallen und Waadt gewählt.

In der Thurgauer Staatsrechnung von 1812 ist ein Betrag von 8 Gulden und 48 Kreuzer aufgeführt, der an Balthasar Vorster ausbezahlt wurde und zwar für die Anfertigung eines Prägeeisens (Timber), mit welchem der Stempel in Form einer Blindprägung auf dem offiziellen Papier erfolgte.
Vorster, Balthasar (1749–1826), Graveur und Petschaftstecher in Diessenhofen
1812
L. 5.9, B. 2.9, H. 3.4 cm
Eisen, gegossen, geschmiedet, graviert, punziert, poliert
Mc 26
Tagblatt der Beschlüsse, Dekrete und Verordnungen, welche von dem Grossen und dem Kleinen Rath des Kantons Thurgau ausgegangen, Zweither Theil, Frauenfeld 1804, S. 83–84 (Verordnung wegen dem Stempelpapier und diverser Petitionen vom 1. Dezember 1803).

Rechnung über die Einnahmen und Ausgaben des Kleinen Raths des Cantons Thurgau für das Jahr 1812 (Staatsrechnung), Staatsarchiv Thurgau (StATG) 4'305'9, S. 143.

Leonard Forrer, Biographical Dictionary of Medallists, Coin, Gem, and Seal-Engravers, Mint-Masters, & c., Ancient and Modern with references to their works, B.C. 500 – A.D. 1900, London 1902–1930, Bd. 6, S. 312–313 (Balthasar Vorster).

F. Schaltegger, Herkunft des Thurgauer Wappens (Thurgauische Beiträge zur Geschichte, Bd. 64-65), Frauenfeld 1928, S. 137–145.

Albert Knoepfli, Staats-Altertümer und ältere Karten des Thurgaus (Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Bd. 87), Frauenfeld 1951, S. 83–112, bes. S. 86, Anm. 11.
Schlagwörter: Sphragistik, Kunsthandwerk, Staatliche Institutionen, Kommunikation, Heraldik, Justiz