Petschaft: Ovaler Siegelstempel der Familie Niederer von Wolfhalden (AR), mit Handhabe und Schutzkappe

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Vs.: Auf Konsole stehender Krieger in «altschweizerisch-vaterländischer Tracht» (Söldnerkleidung mit geschlitzten Beinkleidern und geschlitztem Wams) mit Federhut, Kürass, Hellebarde und Schwert. Dieser lehnt sich an den tingierten Wappenschild der Familie Niederer (in Blau golden bewehrter, rot bezungter, silberner Schwan), der mit Blumengirlanden behängt und von Bügelhelm mit Helmdecke und Helmzier (wachsender Schwan) überhöht ist. Aussen einfache Linienrahmung.
Rs.: Gedrechselte hölzerne Handhabe mit pilzförmigem Griff und mehrfach profiliertem säulenartigem Schaft mit Zahnfries. Abgesetzter runder mehrfach profilierter Fuss mit Gewinde, an welchem die ovale Siegelplatte aus Messing mittels eines Metalldorns befestigt ist.

Dazu gehört eine runde, ebenfalls durch Querrillen mehrfach profilierte Holzkappe mit Drehverschluss, welche zum Schutz der Siegelplatte während des Transports aufgeschraubt werden konnte.
Das Petschaft stammt aus dem Besitz der Familie Kundert-Beuttner aus Bischofszell. Carolina Niederer (1826–1908), die Frau des Bischofszeller Apothekers Johann Albrecht Beuttner (1824–1892), stammt aus der vermögenden Financiersfamilie Niederer-Schnetzler aus St. Gallen. Somit könnte dieser Siegelstempel über Carolina Niederer in den Besitz der nachmaligen Familie Kundert-Beuttner gelangt sein.

Die Figur des Kriegers in «altschweizerisch-vaterländischer Tracht» mit Federhut, Schwert und Stangenwaffe erfreute sich Ende des 18. und Anfang des 19. Jhs. in der Münzprägung verschiedener Schweizer Orte bzw. Kantone grosser Beliebtheit. Zum ersten Mal kam diese Figur in den 1790er-Jahren auf den Duplonen der Republik Bern vor, um danach Anfang des 19. Jhs. auf den Goldmünzen des Kantons Luzern zu erscheinen. Verschiedene Kantone übernahmen zwischen 1812–1816 den eidgenössischen Krieger mit Stangenwaffe bzw. Schwert oder Fahne als Figur auf den Neutaler-Prägungen zu vier Schweizer Franken. Zum letzten Mal trat die Figur auf dem Berner Taler von 1835 auf. Die Ähnlichkeit der Darstellung auf dem Siegelstempel mit den Kriegern auf den Münzen lässt eine Entstehungszeit des Petschafts am Ende des 18. bzw. Anfang des 19. Jhs. als plausibel erscheinen.

In der Heraldik bezeichnet der Terminus Tingierung das Verfahren mittels Schraffuren oder Punktierungen die Wappenfarben bei farblosen Wappendarstellungen anzuzeigen. Die heute gültigen Regeln setzten sich erst im Laufe des 17. Jhs. durch, sodass zum Teil bei tingierten Wappendarstellungen aus dieser Zeit noch Abweichungen von den heutigen Regeln vorkommen können.
Ende 18. Jh./Anfang 19. Jh.
L. 7.1, B. 2.3, H. 2.5 cm
Messing, graviert; Buchsbaumholz, gedrechselt
T 34290
Jakob Signer, Ernst H. Koch, Appenzellisches Wappen- und Geschlechterbuch, Bern, Aarau 1926.
Schlagwörter: Sphragistik, Kunsthandwerk, Persönliche Schreiben, Hauswirtschaft, Kommunikation, Justiz, Heraldik