Petschaft: Ovaler Siegelstempel der Munizipalgemeinde Müllheim (TG), mit Handhabe

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Vs.: «SIG[ILLUM]. D[ER]. MUNIZIP[AL]. GEMEINDE . MULLHEIM», spiegelverkehrt, spitzer tingierter Müllheimer Wappenschild (in Rot halbes Mühlrad) auf Zahnfrieskonsole zwischen gekreuztem Palm- und Lorbeerzweig, darunter C[. T]HURGAU / Schlinge. Aussen einfache Linienrahmung.
Rs.: Eiserne Handhabe aus achteckigem schlankem, sich nach unten leicht verjüngendem Schaft mit abgesetztem polygonal auslaufendem Fuss auf ovaler Bodenplatte, deren Unterseite als Siegelplatte dient.
Das Gemeindegesetz der Helvetischen Republik von 1799 verankerte mit der Institution der Einwohnergemeinde (später Munizipalgemeinde) eine neue Gemeindeorganisation, zu welcher alle in einer Gemeinde niedergelassenen, politisch aktiven Schweizer Bürger gehörten. Während im Ancien Régime die Ansassen (niedergelassene Einwohner ohne Gemeindebürgerrecht) von der Teilhabe am politischen Geschehen und dem Gemeindenutzen ausgeschlossen waren, entwickelte sich allmählich das Einwohnerprinzip (Rechtsgleichheit) gegenüber dem beschränkten, da ererbten Bürgerprinzip. Während die Munizipalgemeinde vom Staat verordnete Aufgaben im Zivilstands-, Polizei- und Steuerwesen wahrnahm und häufig aus mehreren Ortsgemeinden bestand, übernahmen Letztere zusammen mit den noch bestehenden Bürgergemeinden die Verwaltung und den Erhalt der Infrastruktur auf Gemeindeebene, wobei der Einfluss der Ortsgemeinde gegenüber der Bürgergemeinde laufend zunahm. Ab 1871 waren im Thurgau ausschliesslich die Ortsgemeinden für die kommunale Infrastruktur zuständig. Zu diesem Zweck traten die Bürgergemeinden alle zum Ortsverwaltungszweck dienlichen Güter und Gebäude den Ortsgemeinden ab. Waldungen, Immobilien und Vermögen blieben weiterhin im Besitz der Bürgergemeinde. Bis 1946 erteilte die Bürgergemeinde das Bürgerrecht, danach übernahm die Ortsgemeinde diese Aufgabe. Heute noch bestehende Bürgergemeinden sind öffentlich-rechtliche Korporationen bzw. Stiftungen und engagieren sich wie die Bürgergemeinde Frauenfeld oft im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld.
Die kantonale Verfassung von 1987 läutete das Ende dieses mehrstufigen Gemeindesystems ein. Die Munizipalgemeinden mit ihren Ortsgemeinden wurden in den folgenden Jahren neu in politische Gemeinden umgewandelt.

Die Munizipalgemeinde Müllheim bestand von 1803 bis 1967. Sie setzte sich aus den Ortsgemeinden Müllheim und Langenhart zusammen. Durch die Verschmelzung beider Ortsgemeinden 1967 trat anstelle der Munizipalgemeinde Müllheim neu die Einheitsgemeinde Müllheim, welche später in die politische Gemeinde Müllheim überging.

In der Heraldik bezeichnet der Terminus Tingierung das Verfahren mittels Schraffuren oder Punktierungen die Wappenfarben bei farblosen Wappendarstellungen anzuzeigen. Die heute gültigen Regeln setzten sich erst im Laufe des 17. Jhs. durch, sodass zum Teil bei tingierten Wappendarstellungen aus dieser Zeit noch Abweichungen von den heutigen Regeln vorkommen können.
1. Hälfte 19. Jh./nach 1803
H. 3.1, B. 2.8, T. 5.5 cm
Eisen, gegossen, geschmiedet, graviert, punziert, poliert
T 3649
Paul Rosenkranz, Die Gemeinden im Thurgau vom Ancien Régime bis zur Ausscheidung der Gemeindegüter 1872 (Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Bd. 107), Frauenfeld 1969, S. 9–278.

Angelus Hux, Die Entwicklung der Bürgergemeinden im Kanton Thurgau, 2007. https://jimdo-storage.global.ssl.fastly.net/file/d131f532-cc48-43f2-af5c-883b2b40a19d/Entwicklung%20der%20B%C3%BCgergemeinden%20im%20Thurgau.pdf, aufgerufen am 14.09.2022.

André Salathé, Munizipalgemeinde, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.03.2007. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010264/2007-03-30/, aufgerufen am 07.09.2022.

Erich Trösch, Müllheim, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.11.2009. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001980/2009-11-19/, aufgerufen am 12.07.2023.
Schlagwörter: Sphragistik, Kunsthandwerk, Staatliche Institutionen, Kommunikation, Justiz, Heraldik