Petschaft: Ovaler Siegelstempel der Ortsgemeinde Mettlen (TG), mit Handhabe

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Vs.: «ORTSGEMEINDE / METTLEN / C THURGAU», spiegelverkehrt, spitzer, tingierter Thurgauer Wappenschild mit getilgten Löwen, zwischen zwei gekreuzten Palmzweigen. Aussen einfache Linienrahmung.
Rs.: Eiserne Handhabe aus schlankem säulenartigem, nach unten leicht verjüngtem Schaft mit auslaufendem Fuss auf massiver, ovaler Bodenplatte, an welche die Siegelplatte aus Messing gelötet ist.
Das Gemeindegesetz der Helvetischen Republik vom 13./15. Februar 1799 verankerte im Thurgau die Institution der Munizipalgemeinde (ab 1816 Munizipalgemeinde), eine neue Gemeindeorganisation, zu welcher alle in einer Gemeinde niedergelassenen, politisch aktiven Schweizer Bürger gehörten. Während im Ancien Régime die Ansassen (niedergelassene Einwohner ohne Gemeindebürgerecht) von der Teilhabe am politischen Geschehen und dem Gemeindenutzen ausgeschlossen waren, entwickelte sich allmählich das Einwohnerprinzip (Rechtsgleichheit) gegenüber dem beschränkten, da ererbten Bürgerprinzip. In der Folge entstand eine Ordnung aus drei Gemeindekörpern. Während die Munizipalgemeinde vom Staat verordnete Aufgaben im Zivilstands-, Polizei- und Steuerwesen wahrnahm und häufig aus mehreren Ortsgemeinden bestand, übernahmen Letztere zudem zusammen mit den noch bestehenden Bürgergemeinden die Verwaltung und den Erhalt der Infrastruktur auf Gemeindeebene, wobei der Einfluss der Ortsgemeinde gegenüber der Bürgergemeinde laufend zunahm. Ab 1871 waren im Thurgau ausschliesslich die Ortsgemeinden für die kommunale Infrastruktur zuständig. Zu diesem Zweck traten die Bürgergemeinden alle zum Ortsverwaltungszweck dienlichen Güter und Gebäude den Ortsgemeinden ab. Waldungen, Immobilien und Vermögen blieben in ihrem Besitz und zudem erteilten die Bürgergemeinden bis 1946 das Bürgerrecht, danach übernahmen die Ortsgemeinden diese Aufgabe. Heute noch bestehende Bürgergemeinden sind öffentlich-rechtliche Korporationen bzw. Stiftungen und engagieren sich wie die Bürgergemeinde Frauenfeld oft im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld.
Mit den 1799 eingeführten Munizipalgemeinden neben den bereits bestehenden Ortsgemeinden entstanden zwei parallel geführte Verwaltungseinheiten mit eigenen Kompetenzen, die sich bis spätestens 2000 zur politischen Gemeinde vereinigten.

Die Ortsgemeinde Mettlen bestand von 1803–1995 und gehörte zur Munizipalgemeinde Bussnang. Seit 1996 bilden die ehemaligen Ortsgemeinden Bussnang, Friltschen, Lanterswil, Mettlen, Oberbussnang, Oppikon, Reuti und Rothenhausen die politische Gemeinde Bussnang.

Die Siegelplatte weist mehrere Unregelmässigkeiten auf, welche auf einen ungeübten Petschaftstecher hinweisen. Auffallend sind die Glättungsspuren im oberen Wappenfeld. Weitere Hinweise auf die ungeschickte Umsetzung der Graveurarbeit finden sich ebenfalls beim Wort «THURGAU».

In der Heraldik bezeichnet der Terminus Tingierung das Verfahren mittels Schraffuren oder Punktierungen die Wappenfarben bei farblosen Wappendarstellungen anzuzeigen. Die heute gültigen Regeln setzten sich erst im Laufe des 17. Jhs. durch, sodass zum Teil bei tingierten Wappendarstellungen aus dieser Zeit noch Abweichungen von den heutigen Regeln vorkommen können.
1. Hälfte 19. Jh./nach 1803
L. 10.3, B. 2.3, H. 2.9 cm
Messing, graviert, punziert; Eisen, gegossen, geschmiedet, gelötet
T 3596
Paul Rosenkranz, Die Gemeinden im Thurgau vom Ancien Régime bis zur Ausscheidung der Gemeindegüter 1872 (Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Bd. 107), Frauenfeld 1969, S. 9–278.

Angelus Hux, Die Entwicklung der Bürgergemeinden im Kanton Thurgau, 2007. https://jimdo-storage.global.ssl.fastly.net/file/d131f532-cc48-43f2-af5c-883b2b40a19d/Entwicklung%20der%20B%C3%BCgergemeinden%20im%20Thurgau.pdf, aufgerufen am 14.09.2022.

André Salathé, Munizipalgemeinde, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.03.2007. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010264/2007-03-30/, aufgerufen am 07.09.2022.
Schlagwörter: Sphragistik, Kunsthandwerk, Staatliche Institutionen, Kommunikation, Justiz, Heraldik