Petschaft: Runder Siegelstempel der Maria Nicola Bernarda Huber von Besenbüren (AG), letzte Äbtissin des Benediktinerinnenklosters Münsterlingen (1839–1848), mit Handhabe

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Vs.: «SIG. MAR. NICOLA BERNARDA ABB. MYNSTERLINGEN», spiegelverkehrt, von Krummstab überhöhte und mit Blumengirlanden behängte, geschwungene Wappenkartusche mit viergeteiltem, tingiertem Schild (Feld 1, Wappen der Familie Huber: Vogelkralle auf Dreiberg, umgeben von drei Sternen, auf rotem Grund; Feld 2 und 3 Wappen von Münsterlingen: silbernes Tatzenkreuz auf rotem Grund, Feld 4 Schaf), darunter Initialen des Graveurs «CB», spiegelverkehrt. Aussenrahmung als durchgehender Blätterkranz gearbeitet.
Rs.: Eiserne Handhabe als vierkantiger, oben zulaufender Dorn gearbeitet, welcher zum Einsetzen der Siegelplatte in einem Holzgriff diente.
Der Überlieferung nach wurde das Kloster Münsterlingen von einer Schwester des Einsiedler Abts Gregor (964–996) gegründet und der hl. Walburga geweiht. 1125 gestattete Kaiser Heinrich V. dem Konstanzer Bischof Heinrich von Dillingen die Einrichtung des Frauenklosters. Als Vögte des Klosters traten die Herren von Klingen auf, von deren Schirmherrschaft sich die Augustinerinnen 1288 freikauften und ihre Gerichtsherrschaft gründeten. Mit der Reformation ab 1524 löste sich die Klostergemeinschaft nach und nach auf. 1549 stellten die fünf im Thurgau regierenden katholischen Orte den Konvent mit Benediktinerinnen wieder her. 1839 übernahm der Kanton Thurgau einen Flügel der Klosteranlage, um darin ab 1840 das erste Kantonsspital zu betreiben. Nach der endgültigen Auflösung des Klosters 1848 richtete der Kanton kurz darauf in den übrigen Klostergebäuden die erste Psychiatrische Klinik im Thurgau ein.

Aufgrund der Initialen «CB» auf der Siegelplatte und der Herstellungszeit des Petschafts kommt der Wädenswiler Graveur und Petschaftstecher Johann Jakob Karl Brupbacher zum Holderbaum (1813–1883) als Hersteller in Frage. Mehrere Mitglieder der Familie Brupbacher waren im 18. und 19. Jh. als Petschaftstecher für verschiedene Institutionen und Private tätig. Ihr Wirkungsfeld erstreckte sich dabei vor allem auf die Inner- und Ostschweiz, wo sie mit Musterkoffern unterwegs waren, um Aufträge zu akquirieren.

In der Heraldik bezeichnet der Terminus Tingierung das Verfahren mittels Schraffuren oder Punktierungen die Wappenfarben bei farblosen Wappendarstellungen anzuzeigen. Die heute gültigen Regeln setzten sich erst im Laufe des 17. Jhs. durch, sodass zum Teil bei tingierten Wappendarstellungen aus dieser Zeit noch Abweichungen von den heutigen Regeln vorkommen können.
Brupbacher zum Holderbaum, Johann Jakob Karl, vermutlich (1813–1883), Petschaftstecher und Graveur, Wädenswil
1839–1848
L. 3.5, D. 3.8 cm
Eisen, gegossen, geschmiedet, graviert, punziert, poliert
T 2858
Conrad Kuhn, Geschichte der thurgauischen Klöster, Die thurgauischen Frauenklöster (Thurgovia Sacra, Bd. 3), Frauenfeld 1883, S. 253–317.

Erich Trösch, Münsterlingen, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.10.2008. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008171/2008-10-08/, aufgerufen am 13.07.2022.

https://www.baukultur-waedenswil.ch/archiv-peter-ziegler-1436.html, aufgerufen am 08.02.2023.
Schlagwörter: Sphragistik, Kunsthandwerk, Kloster, Kommunikation, Heraldik