Prototyp eines Repetiergewehrs mit Gradzugverschluss, Rückstosslader nach dem System Stamm-Saurer Typ I, aus der Sammlung des Thurgauer Kantonalschützenverbands

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Runder Lauf mit vier Zügen, Verschluss mit Drehzylinder, Laufrückstosslader mit langem Rücklauf, Riegelschieber mit kugeligem Griff, Kurvenvisier mit Schieber für Stellung 300 bis 2000 m, im Schwalbenschwanz eingeschobenes Dachkorn auf in Laufrichtung stehendem, hinten abgeschrägtem Kornträger, Hülsenoberband mit seitlichen Aussparungen und Riemenhaken, Unterband mit Federhalterung rechts und links und Riemenbügel unten, runder Bügel auf angeschraubtem Bügelblatt, gerader Kolbenabschluss mit angeschraubter Kolbenkappe. Lauf verbunden mit unter ihm liegender Führung für Putzstock, dieser mit langem Kopf mit Loch. Festes Kastenmagazin für sechs Patronen und mit abnehmbarem Boden. Volle Nussbaumschäftung mit Handschutz und ausgeprägtem kantigem Pistolengriff am Kolben sowie markanter Kolbennase.
Lederner naturfarbener Tragriemen mit zwei Doppelniet-Knöpfen, hinten an einer Öse befestigt, die an einer drehbaren Verlängerung am Bügel sitzt.
Sechseckiger hoher Laufdeckel aus Messing, angenietete geschwärzte ausgeschwenkte Feder mit Kornschutzkappe mit seitlichen Klammern.

Plakette aus Messing «A. SAURER 4» und kleine Firmenplombe Saurer.

Kaliber: 7.5 mm
Der in Schleitheim (SH) geborene Stickereimaschinenzeichner Hans Stamm (1857–1922) konstruierte für die Firma Adolph Saurer AG in Arbon diverse Repetier- und Selbstladegewehre. Von 1908 bis 1920 leitete er dort eine eigene Waffenentwicklungsabteilung. Die Gewehre wurden der Schweizer Armee vorgeführt, wie auch den Militärverantwortlichen diverser europäischer Staaten, ohne dass je eine Bestellung daraus resultierte. Die überlieferten, in hochwertiger Qualität ausgeführten Modelle weisen alle das Kaliber 7.5 mm sowie ein Kurvenvisier mit Schieber für eine Stellung von 300 bis 2000 m auf und wurden mit glatter geölter Nussbaumholzschäftung und einer eisernen Kolbenkappe ausgeführt. Daneben konstruierte Stamm für Saurer leichte Maschinengewehre (Lmg), wovon mindestens eines der fünf bekannten Modelle mit Wasserkühlung ausgeführt war. Nach dem Tod von Adolph Saurer 1920 wurde die Waffenproduktion bei Saurer eingestellt.
Die Adolph Saurer AG, wurde 1853 als Eisengiesserei in St. Gallen von Franz Saurer (1806–1882) gegründet und machte sich einen Namen als Hersteller von Textilmaschinen und Fahrzeugen, mit Sitz in Arbon. Später kam es im Fahrzeugsektor zu Fusionen mit den Marken Berna in Olten (SO) und FBW in Wetzikon (ZH) (Franz Brozincevic & Co. Wetzikon), beides Hersteller von Lastwagen und Bussen. Zwischen den 1920er- und 1980er-Jahren gehörten Textilmaschinen, Motoren, Lastwagen, Feuerwehrfahrzeuge und vor allem Militärfahrzeuge zum Lieferprogramm von Saurer. Heute ist das Unternehmen in Besitz eines chinesischen Konsortiums.

Das vorliegende exklusive, da in geringer Anzahl ausgeführte Gewehr schenkte der der 1835 gegründete Thurgauische Schützenverband dem Museum. Zum Gründungskomitee des Vereins gehörte auch Prinz Louis Napoléon Bonaparte. Der Ehrenbürger des Kantons Thurgau, Bewohner von Schloss Arenenberg und spätere französische Kaiser Napoléon III., wirkte von 1838–1839 als Vorstandspräsident.
2005 erfolgte die Umbenennung vom Schützenverein zum Kantonalschützenverband. Lange Zeit trugen Vereinsmitglieder Andenken und Ehrengaben von Schiessanlässen zusammen und legten ein umfangreiches Archiv an, zu dem Schenkungen und Nachlässe von regionalen Thurgauer Schützenvereinen kamen.

2016 ging der vielfältige Bestand von ca. 500 Objekten (u.a. Scheiben, Fahnen, Waffen, Gefässe, Medaillen) in den Museumsbesitz über. Einzelne Sammlungsstücke werden seit Jahren in der Schützenstube im ehemaligen Gasthaus Adler in Ermatingen ausgestellt.
Firma Saurer, Hersteller von Textilmaschinen, Lastwagen und Waffen, gegründet 1853, Fabrikation ab 1864 in Arbon

Stamm, Hans (1857–1922), Stickereitechniker, Waffenkonstrukteur
um 1912/1913
L. 130 cm, Lauf L. 70
Stahl, brüniert; Eisen; Nussbaumholz; Messing; Leder
TD 213
Eugen Heer, Die Stamm-Gewehre, Ein wenig bekanntes Kapitel aus der schweizerischen Waffenindustrie (Allgemeine schweizerische Militärzeitschrift (ASMZ), Bd. 133), Nr. 11, 1967, S. 671–675. https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=asm-004:1967:133::1203, aufgerufen am 29.06.2023.

Christian Reinhart, Michael am Rhyn, Automatenwaffen, Maschinenpistolen, Selbstladegewehre (Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee seit 1817, Bd. 13), Dietikon-Zürich 1972, S. 74–77, 95–102.

Ernst Grenacher, Hans Stamm, Repetiergewehre, automatische Gewehre, Maschinengewehre, Versuchswaffen 1899–1920, 2002.

Charlotte Jacquemart, Saurer, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.08.2013. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/041923/2013-08-20/, aufgerufen am 29.06.2023.

Ernst Grenacher, Schweizer Militärgewehre Hinterladung 1860–1990, 2015, S. 507–517, 541–545.
Schlagwörter: Militaria, Waffen, Industrie, Vereinswesen