Repetierkarabiner der Schweizer Kavallerie, Gewehr mit Gradzugverschluss nach dem System Mannlicher, Modell 1893, aus dem Arsenal des Kantonalen Zeughauses Frauenfeld

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Brünierter Lauf mit drei konzentrischen Zügen. Standvisier für 300 m, Klapp- und Quadrantenvisier für Visiereinstellung von 400 bis 1200 m, eingeschobenes Dachkorn mit seitlichen Schutzbacken auf quer zum Lauf eingeschobenem Kornträger. Zentrischer Zylinder-Gradzugverschluss mit zwei Verriegelungswarzen im vordersten Zylinderteil. Selbstspanner beim Öffnen, Zentralzündung, Sicherungsklappe durch den gespannten und vorgelassenen Schlagbolzen. Abzug mit Druckpunkt und mit Sicherung gegen Abfeuern bei unvollständig geschlossenem Verschluss. Riegelschieber mit rundem Kopf. Abnehmbares zweireihiges Kastenmagazin für sechs Patronen im Mittelschaft nach dem Modell 1889 jedoch ohne Ausschaltung. Gestuftes, quer geschraubtes Hülsenoberband mit Kornträger, Unterband mit Federhalterung unten und linker Riemenhalterung. Runder Bügel an kurzem angeschraubtem Bügelblatt, leicht geschwungener Kolbenabschluss mit angeschraubter Kolbenkappe. Vollschäftung mit Handschutz. Lederner Riemenbügel mit Spuren von Lack. Hinteres durch Kolbenschlitz geführtes Riemenende liegt auf der rechten Seite in passgenauer Aussparung.
Kurzer Laufdeckel aus Messing, auf metallene, rechts und links mit runder Aussparung versehene Klammer geschraubt.

Schläge: Auf Verschlussgehäuse Angabe des Herstellers «S.J.G. NEUHAUSEN». Waffennummer «3950» je auf Verschlusshülse, Riegelschieber und Magazinkasten. Beschussstempel in Form von ligiertem gegenläufigem «BP» auf Lauf. Diverse Kontroll- und Abnahmepunzen: eidg. Kontrollstempel «A» unter Schweizerkreuz in eckiger Vertiefung auf Lauf, Annahmestempel für Bestandteile in Form von «S» unter Schweizerkreuz in Oval je auf Lauf, Verschlusshülse, Griff des Riegelschiebers, Bügel und Unterband sowie in Form von Schweizerkreuz je auf Lauf, Verschlusshülse, Visierblatt und -klappe. Auf Verschlusshülse «S», auf Schwanzschraube «L».
Auf Laufdeckel «PAT AGEM» (Patent angemeldet).

Munition: GP 90, 90/03, 90/23
Kaliber: 7.5 mm

Gedruckte Papieretikette zum Ausfüllen: Handgeschrieben in Blau «Von KMV geschenkweise überlassen Kavallerie-Karabiner Mod. 1893 Nr. 3950», «11.12.64».
Der Karabiner ist ein Gewehr mit kurzem Lauf, das ursprünglich für die Kavallerie entwickelt wurde. Der Begriff «Karabiner» stammt aus dem 17. Jh. und leitet sich vom französischen Wort «Carabine» ab, worunter eine Reiterflinte verstanden wurde. Mit seinem etwa 100 cm langen Lauf war er auf dem Pferd besser zu handhaben als die Infanteriegewehre mit einer Lauflänge von etwa 140 cm. Karabiner wurden als Vorderlader mit Steinschloss- oder Perkussionszündung und als Hinterlader mit Metallpatronen konstruiert.

1895 gab der Bundesrat grünes Licht für die Herstellung des Kavallerie-Karabiners Modell 1893 nach dem System Mannlicher. Sein Entwickler war der österreichische Ingenieur Ferdinand Ritter von Mannlicher (1848–1904). Dieser optimierte ab ca. 1884 zusammen mit der Schweizerischen Industrie-Gesellschaft (SIG) in Neuhausen und Friedrich Wilhelm Hebler, einem Professor für Physik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETHZ), das System des Gradzugverschlusses. Mit der Waffe verschoss der Soldat die von Eduard Rubin neu entwickelte Gewehrpatrone 90 aus einem Magazin mit sechs Schuss. Von 1895 bis 1905 waren die Schweizer Kavalleristen mit dem Karabiner ausgerüstet, welcher in einem speziellen Futteral am Sattel mitgeführt werden konnte.
Die Karabiner mit der Waffennummer 1–4250 stellte die SIG her, die Gewehre mit den nachfolgenden Nummern bis 7750 wurden von der Waffenfabrik Bern angefertigt. Das vorliegende Exemplar wurde von ersterem Unternehmen produziert und 1895–1898 der Truppe abgeliefert.

In den 1960er-Jahren kam in Frauenfeld die Idee auf, ein Artilleriemuseum zu eröffnen. Führend bei der Diskussion waren Vertreter des Historischen Museums Thurgau und des Zeughauses in Frauenfeld. Um das Projekt voranzutreiben, bestellten beide Parteien in gegenseitiger Absprache bei der Eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung (KMV) in Bern (Direktion der Zeughausbetriebe) ausgeschiedene Waffen samt Zubehör und lagerten die militärischen Güter im Zeughaus in Frauenfeld ein. Im Vorfeld einer Anschaffung verschickte die KMV eine Liste mit den vom Generalstab freigegebenen Waffen an die Zeughausverwaltungen der Kantone sowie ans Schweizerische Landesmuseum in Zürich. Das vorliegende Stück wurde 1964 von der KMV dem Zeughaus in Frauenfeld überlassen.
SIG (Schweizerische Industrie-Gesellschaft), Hersteller von Waffen, Automobilen und Waggons, gegründet 1853 in Neuhausen (SH)
1895–1898
L. 102 cm, Lauf L. 55 cm
Stahl, brüniert; Eisen; Nussbaumholz; Leder; Messing
T 40321
Kurt Sallaz, Michael am Rhyn, Handfeuerwaffen Gradzug-Systeme(Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee seit 1817, Bd. 4), Dietikon-Zürich 1978, S. 23–26, 64.

Clément Bosson, Die Waffen der Schweizer Soldaten, Zug 1982, S. 113–115.

Ernst Grenacher, Schweizer Militärgewehre Hinterladung 1860–1990, 2015, S. 353–355, 364–365, 772.
Schlagwörter: Militaria, Waffen, Industrie