Steinschlossgewehr der Infanterie

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Runder glatter Lauf. Blockkorn. Nicht originale Pfannendeckelfeder. Hahnschraube fehlt. Messinggarnitur mit Abzugsbügel, Seiten- und Kolbenabschlussblech. Zwei eiserne Bänder je mit Federhalterung, Vorderband fehlt. Zwei breite Bügel für den Tragriemen, mittels Öse je eine am Mittelband (aus einem Guss) und am Bügelblatt angebracht. Ladestockführung in Form von Kehle unten am Vorderschaft, die unter den Bändern durchläuft. Ladestock fehlt. Entlang Schlossplattenrand Liniengravur. Vollschaft mit geradem Kolbenabschluss, Vorderschaft vorn geschnitten verjüngt.

Schläge: Auf Lauf «RV», «QIB» (Q könnte für Quartier stehen). Auf Schlossplatte Londoner Beschussstempel aus Krone über «GP» für Gunmakers' Proof (Prüfung des Waffenschmieds). Auf Kolbenhals «G» oder «C».
Vorliegendes Gewehr gehörte wohl einem Wehrmann, der die Waffe wie üblich aus eigenen Mittel erwarb. Womöglich diente er in einem der acht Thurgauer Militärbezirke.
Die überregionale Wehrorganisation der Eidgenossenschaft entstand als Folge des Dreissigjährigen Kriegs (1618–1648). Die nördliche Landesgrenze und damit der Thurgau standen unter Druck, Terrain der Scharmützel zu werden. 1619 erliessen daher der eidgenössische, im Thurgau amtierende Landvogt Karl Emanuel von Roll (1579–1654) und Abgeordnete des Thurgauer Gerichtsherrenstands, Dekrete zur Neuformierung der Thurgauer Mannschaft. Diese von der Tagsatzung (eidgenössisches Parlament) genehmigte Kriegsordnung regelte das Wehrwesen in der Landschaft Thurgau, wobei Städte mit eigener Truppe wie Arbon, Bischofszell, Diessenhofen, Frauenfeld und Steckborn sowie das Herrschaftsgebiet des Fürstabts von St. Gallen im Oberthurgau von der Verordnung ausgenommen waren. Fortan war der Thurgau in acht militärische Bezirke (Quartiere) eingeteilt, wobei ein Bezirk mindestens 1000 Mann stellen musste. Davon waren 200 mit Musketen (lange schwere Vorderlader), 100 mit Hakenbüchsen (ein frühe Form des Vorderladers mit einem Haken vorne, um das schwere Gewehr stützen zu können), 200 mit Harnischen, 300 mit Spiessen und 200 mit Kurzgewehren ausgerüstet. Die Männer hatten ab ihrem 16. bis zum 60. Lebensjahr, jene unter der Fahne des St. Galler Fürstbischofs bereits als 14-Jährige, Wehrdienst zu leisten. 1647 (Wiler Defensionale) und 1668 (Badener Defensionale) erfolgten wiederum von der eidgenössischen Tagsatzung verabschiedete Militärordnungen zur Landesverteidigung, wobei das Badener Abkommen festhielt, dass rund 1800 Thurgauer bei Bedarf Waffendienst zu leisten hatten. Diese mussten mehrheitlich mit Musketen ausgerüstet sein, aber auch geharnischte (mit einem Körperschutz aus Eisen versehen) und ungeharnischte Thurgauer Spiessträger sowie Hellebardiere konnten einberufen werden. 1774 zählten die acht Quartiere 12 354 wehrfähige Männer, 7147 Gewehre, 2692 Bajonette und 2889 Patronentaschen. 1799 kam es zur Zusammenlegung der Quartiere. Die Thurgauer Soldaten leisteten ihren Dienst von nun an in den vier kantonalen Militärbezirken Steckborn, Frauenfeld, Arbon und Bischofszell.
Ende 18. Jh.
L. 131 cm, Lauf L. 94 cm
Stahl, Eisen, Messing, Nussbaumholz
Wg 439
Albert W. Schoop, Geschichte der Thurgauer Miliz, Frauenfeld 1948.

Hans Senn, Militärwesen, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.11.2009. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/024620/2009-11-10/, aufgerufen am 22.07.2025.
Schlagwörter: Militaria, Waffen