Steinschlossgewehr der Thurgauer Infanterie, Vorderlader der kantonalen Truppen, kantonales Modell 1804, mit Stichbajonett

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Runder glatter Lauf, ab Kammeransatz oktogonal. Laufmündung mit Bajonettnocken. Schlosshahn mit Feuerstein zwischen Lederstück (Montage für Vermittlung). Eisengarnitur mit drei Bändern, Laufbefestigung mit Bandfedern, Abzugsbügel und Kolbenkappe. Auf Vorderband Linsenkorn aus Messing. Bügel für den Tragriemen je am Mittelband und vor Abzugsbügel. Eiserner Putzladestock mit kegelstumpfförmigem Kopf. Vollschaft. Kolben mit Backenausschnitt links, Kolbennase und geradem Abschluss. Tüllenbajonett mit Dreikantklinge.

Schläge: Auf Lauf «124», «44», «TH» (Kontrollpunze des kantonalen Inspektors) sowie verschlagen «L» über Krone für den Beschau von Wiener-Neustadt. Auf Schaft hinter Schwanzschraube «G».
Auf Bajonett «G : 376. (Waffennummer)», auf Klinge «9».

Kaliber: 18 mm
Es handelt sich um eine typische in der Mediationszeit (1804–1813) von einem lokalen Büchsenmacher angefertigte Infanteriewaffe. Für die Konstruktion dieses Gewehrs wurden ältere gebrauchte Bestandteile verwendet wie die eiserne Garnitur, die dem französischen Modell von 1777 in der umgeänderten Version von 1801/02 entspricht, sowie das österreichische Steinschloss und der Lauf vom Ende des 18. Jhs.
Die Anfertigung von Militärschusswaffen aus gebrauchtem Material war in der Schweiz bis in die Zeit um 1820 ein übliches Vorgehen. Anfangs vor allem aus Mangel an Bestandteilen wie Läufen und Schlössern sowie aus Ersparnisgründen, wurden derartige Gewehre in den Werkstätten der kantonalen Zeughäuser oder von einheimischen Büchsenmachern im Auftrag der milizpflichtigen Wehrmänner produziert. Denn bis zur Einführung des Bundesheers 1874 trugen die Soldaten die Kosten für ihre Ausrüstung grösstenteils selbst.
Wehrmänner, die sich keine eigene Waffe leisten konnten, bekamen diese leihweise vom Zeughaus in Frauenfeld ausgehändigt. Sowohl die Gewehre in Staats- wie in Privatbesitz waren mit dem Thurgauer Kantonsschlag versehen, der in drei Varianten vorliegt: «CT», «TH» und «CTH». Die mit solch einer Markierung bezeichneten Waffen entsprachen der behördlichen Vorschrift hinsichtlich der Beschaffenheit der Gewehre (Ordonnanzen). Ein erster solcher Beschluss erfolgte im Thurgau 1804 durch die kantonale Militärverwaltung. Zur Revision dieser Vorschriften bezüglich Beschaffenheit der Soldatenausrüstung kam es 1817, nun mittels einer eidgenössischen Ordonnanz. Folglich liess die eidgenössische Militäraufsichtsbehörde Modelle von Schuss- und Griffwaffen sowie von Uniformen und Ausrüstungsteilen anfertigen, damit die Büchsenmacher, Sattler und Schneider in den Kantonen die gewünschten Stücke in ihrer Werkstatt oder im Zeughaus herstellen konnten.
Die Schweizer Stände (später Kantone) entschieden eigenmächtig über die Ausrüstung ihrer Truppen. Lieferanten für die Gewehre des kantonalen Militärs waren während der Helvetik (1798–1803) und Mediationszeit (1803–1813) Manufakturen in Belgien und Frankreich. Diese Waffen mit Steinschlosszündung wurden mehrmals umgebaut und blieben teilweise bis um 1870 in militärischem Gebrauch. Der Ladevorgang bei vorliegendem Exemplar erfolgte in zwölf Schritten und die Schusskadenz lag bei zwei Schuss pro Minute.
1804–um 1820
L. 143 cm, Lauf L. 103.5 cm; Bajonett L. 47 cm, ohne Tülle 42 cm
Stahl, Eisen, Nussbaumholz, Feuerstein, Leder
T 44067
Albert W. Schoop, Geschichte der Thurgauer Miliz, Frauenfeld 1948, bes. S. 177–179, 206.

Schweizerischer Schützenverein (Hrsg.), Hand- und Faustfeuerwaffen, Schweizerische Ordonnanz 1817 bis 1967, Frauenfeld 1971, S. 20.

Schweizerischer Schützenverein (Hrsg.)), Hand- und Fausfeuerwaffen, Schweizerische Ordonnanz von 1817–1967, Frauenfeld 1971.

Hugo Schneider, Michael am Rhyn, Eidgenössische Handfeuerwaffen (Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee seit 1817, Bd. 2), Dietikon-Zürich, 1979.

Clémont Bosson, Die Waffen der Schweizer Soldaten, Die persönliche Bewaffnung der Schweizer Soldaten damals und heute, Zug 1982.

Schoop: 1. Militärgesetz Infanterie Thurgau.
Schlagwörter: Militaria, Waffen, Gewerbe