Steinschlossgewehr der Thurgauer Infanterie, Vorderlader der kantonalen Truppen, Modell 1804/1817

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Runder glatter Lauf, hinteres Drittel oktogonal, Übergang mit zwei quer zum Lauf stehenden Doppelrillen. Auf Lauf Blockkorn. Eisengarnitur aus drei Bändern, vorderer Ladestockpfeife, Abzugsbügel, Seitenplatte und Kolbenkappe. Abzugsbügel mit gravierter Kartusche. Abzug mit eingerolltem Ende. Laufbefestigung mit Bandfedern. Schlosshahnschraube mit kugeligem Kopf mit Schlitz. Feuerstein zwischen Hahnlippen (Montage für Vermittlung). Pfannendeckelfeder mit Verlängerung in Blattform. Zwei Bügel für den Tragriemen. Eisenladestock mit kegelstumpfförmigem Kopf. Voller Nussbaumholzschaft mit langem Hals, kleinem Backenausschnitt links, Kolbennase und geradem Abschluss.
Hahn alt ergänzt.

Schläge: Auf Schlossplatte «F. D. F.», darüber Schwyzer Wappen in Schild. Auf Lauf «TH» (Kontrollpunze des kantonalen Inspektors) und Waffennummer «55», weitere Punze «4» über «B» ligiert(?). Auf Schaft «TH 55». Gekerbte Besitzerinitialen «HC$ . |S| M». Auf Ladestock «I» und «VC» oder «VG».

Kaliber: 18 mm
Die Anfertigung von Militärschusswaffen aus gebrauchtem Material war in der Schweiz bis in die Zeit um 1820 ein übliches Vorgehen. Anfangs vor allem aus Mangel an Bestandteilen wie Läufen und Schlössern sowie aus Ersparnisgründen, wurden derartige Gewehre in den Werkstätten der kantonalen Zeughäuser oder von einheimischen Büchsenmachern im Auftrag der milizpflichtigen Wehrmänner produziert. Denn bis zur Einführung des Bundesheers 1874 trugen die Soldaten die Kosten für ihre Ausrüstung grösstenteils selbst.
Wehrmänner, die sich keine eigene Waffe leisten konnten, bekamen diese leihweise vom Zeughaus in Frauenfeld ausgehändigt. Sowohl die Gewehre in Staats- wie in Privatbesitz waren mit dem Thurgauer Kantonsschlag versehen, der in drei Varianten vorliegt: «CT», «TH» und «CTH». Die mit solch einer Markierung bezeichneten Waffen entsprachen der behördlichen Vorschrift hinsichtlich der Beschaffenheit der Gewehre (Ordonnanzen). Ein erster solcher Beschluss erfolgte im Thurgau 1804 durch die kantonale Militärverwaltung. Zur Revision dieser Vorschriften bezüglich Beschaffenheit der Soldatenausrüstung kam es 1817, nun mittels einer eidgenössischen Ordonnanz. Folglich liess die eidgenössische Militäraufsichtsbehörde Modelle von Schuss- und Griffwaffen sowie von Uniformen und Ausrüstungsteilen anfertigen, damit die Büchsenmacher, Sattler und Schneider in den Kantonen die gewünschten Stücke in ihrer Werkstatt oder im Zeughaus herstellen konnten. Thurgauer Soldaten wurden erstmals 1820 mit Gewehren vom Modell 1804/1817 ausgestattet, die in der Folge Jahrzehnte im Einsatz blieben, 1842 und 1859 eine Ertüchtigung erfuhren und bis zur Einführung des Vetterli-Gewehrs Anfang der 1870er-Jahre zur Bewehrung der Schweizer Armee gehörten. Mit der Aussortierung dieser teilweise über 60 Jahre alten Stücke hörte auch die kantonale Kontrolle der Waffen und damit die Anbringung des Kantonsschlags auf. Fortan lag die Prüfung der Gewehre in den Händen der eidgenössischen Experten, welche die von ihnen erprobten Waffenteile mit Punzen versahen, die oftmals aus dem Anfangsbuchstaben ihres Nachnamens bestanden.
ab 1804–um 1842 im militärischen Einsatz
L. 135.4 cm, Lauf L. 97.3 cm
Stahl, Eisen, Nussbaumholz, Feuerstein
T 40343
Albert Schoop, Geschichte der Thurgauer Miliz, Frauenfeld 1948, bes. S. 177–179, 206.

Schweizerischer Schützenverein (Hrsg.), Hand- und Faustfeuerwaffen, Schweizerische Ordonnanz 1817 bis 1967, Frauenfeld 1971, S. 20.

Kriss Reinhart, Jürg A. Meier, Pistolen und Revolver der Schweiz seit 1720, Dietikon-Zürich 1998, S. 96–98, 102.
Schlagwörter: Militaria, Waffen, Gewerbe