Verwaltungsstempel: Runder Tintenstempel des Kantons Thurgau zur Erhebung der Kartensteuer, mit Holzgriff

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Vs.: «C: THURGAU / ORD(INAIRER): KARTENSTEMPEL.», spiegelverkehrt, Thurgauer Wappenschild mit Tingierung (unteres Wappenfeld schräg schraffiert), zwischen der geteilten Gebührenangabe «4 - K(REUZER)».
Rs. Griff aus gedrechseltem Holz, mit kurzem, nach unten zu einem mehrfach profilierten runden Fuss auslaufendem Schaft und kugelförmigem Kopf mit dreifachem Liniendekor. Runde Stempelplatte aus Messing an eiserne Platte gelötet, welche mittels eines Dorns mit dem Schaft verbunden ist.
Die Kartensteuer wurde in der Schweiz erstmals während der Helvetischen Republik (1798–1803) eingeführt. Sie wurde als Luxussteuer auf alle Kartenspiele (gewöhnliche Karten und Tarokkarten) erhoben. Die Stempelung einer bestimmten Karte pro Kartenspiel war der Beleg für die Steuerentrichtung des Kartenproduzenten. Die Bezeichnung «ORD(INAIRER)» im Stempel bezieht sich auf gewöhnliche Kartenspiele mit französischen oder deutschen Karten. Im Gegensatz dazu wurden Tarokspiele höher besteuert. Nach der Helvetik ging die Kartensteuer in die Hände der Kantone über, welche sie zum Teil abschafften. Für den finanzschwachen Kanton Thurgau hingegen war die Kartenstempelsteuer eine willkommene Einnahmequelle, die im Dekret vom 9. Januar 1823 durch den Grossen Rat (Parlament) des Kantons Thurgau beschlossen wurde und zwar mit einer Laufzeit von zunächst zehn Jahren. Laut Vollziehungsverordnung des Kleinen Rats vom 1. Juli 1823 mussten alle Kartenspiele ab dem 1. Oktober 1823 offiziell einen Stempel tragen, der die Abgabe der Kartensteuer bestätigte. Deshalb waren die Verkäufer der Karten verpflichtet, diese vor dem Verkauf beim Stempelbüro der Finanzkommission stempeln zu lassen. Missachtung dieser Anweisung ahndeten die Kreisgerichte mittels Verhängung von Bussen. Knapp zehn Jahre später jedoch hob das Dekret vom 21. Dezember 1832 die Kartensteuer auf den 1. Januar 1833 endgültig auf, da die Einnahmen, mangels konsequenter Durchsetzung der Steuer, nicht den Erwartungen entsprochen hatten. Im Thurgau ist für die 1. Hälfte des 19. Jhs. eine Kartenmanufaktur in Diessenhofen belegt.

Der vorliegende Tintenstempel lässt sich aufgrund eines Eintrags in der Staatsrechnung des Kantons Thurgau von 1823 datieren. Darin wird ein Ausgabenposten von 14 Gulden für die Anschaffung von insgesamt 3 Stempeln «zum Stempeln derselben [Spielkarten]» verzeichnet.

In der Heraldik bezeichnet der Terminus Tingierung das Verfahren mittels Schraffuren oder Punktierungen die Wappenfarben bei farblosen Wappendarstellungen anzuzeigen. Die heute gültigen Regeln setzten sich jedoch erst im Laufe des 17. Jhs. durch, sodass zum Teil bei tingierten Wappendarstellungen aus dieser Zeit noch Abweichungen von den heutigen Regeln vorkommen können.
1823
L. 7.2, D. 2.2 cm
Messing, gegossen, graviert; Eisen, gelötet; Fruchtbaumholz, gedrechselt
Mc 16
Rechnung über die Einnahmen und Ausgaben des Kleinen Raths des Cantons Thurgau pro 1823 (Staatsrechnung), Staatsarchiv Thurgau (StATG) 4'305'20, S. 127.

Offizielle Sammlung der Geseze und Verordnungen für den Kanton Thurgau, Bd. 2, Frauenfeld 1827, S. 258–268, bes. S. 263 und S. 268.

Kantonsblatt, enthaltend die seit der Annahme der Verfassung vom Jahr 1831 erlassenen Gesetze, Dekrete und Verordnungen des Grossen und Kleinen Rathes des Eidgenössischen Standes Thurgau, Bd. 1, Frauenfeld 1832, S. 431.

Balz Eberhard, Spielkarten und Spielkartensteuer in der Helvetischen Republik 1798–1803, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 30, 1973, S. 169–184.

Herbert Rittmann, Schweizer Münzen und Banknoten, Zürich 1980.
Schlagwörter: Sphragistik, Staatliche Institutionen, Kommunikation, Justiz, Heraldik