Wachsporträt: Franziskus Fröhlicher, Abt im Benediktinerkloster Fischingen (1836–1848)

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Halbfigurenstück im Profil nach links, in rundem Ausschnitt. Der Geistliche trägt eine Kukulle, ein weites Übergewand mit Falten und Kapuze, das der Abt beim Chorgebet und der heiligen Messe trägt sowie einen schwarzen Pileolus auf dem Kopf. Sein Brustkreuz hängt an einer goldenen Gliederkette. Rechts des Porträtierten entlang des Rands feine helle Signatur «fecit. Heuberger 1843».
Das Relief liegt vertieft, auf einer runden schwarzen Platte angebracht, in einem runden Holzkasten hinter Glas, mit aufstehenden Rahmenkanten.
Die Front des Kastens schwarz lackiert (geschrumpft), die Seiten des Kastens konisch nach hinten verjüngt. Die Rückseite mit Textilabdeckung, darüber Klebeetikette mit handgeschriebenen Angaben zum Ankauf und dem Abgebildeten «[?] F. Girtanner / 70.– Kauf Thurg[auisches] Mus[eum] Frauenfeld», «Letzter Abt Fröhlicher von Fischingen.» Runde Öse aus der Zeit für Aufhängung.
Die Benediktinerabtei Fischingen wurde kurz vor 1138 durch den Konstanzer Bischof Ulrich II. gegründet und durch Mönche des Konstanzer Klosters Petershausen besiedelt. Besonders im 13. Jh. und während der Barockzeit erlebte das Kloster eine Blütezeit. 1848 erfolgte seine Aufhebung. Fröhlicher war der letzte Fischinger Abt. Er starb im April 1848 im Schloss Bettwiesen, das zum Kloster Fischingen gehörte, wo sich der kranke Abt erholen wollte. Im Juni desselben Jahres säkularisierte die Thurgauer Regierung die Klöster.
Nach mehreren Besitzerwechseln übernahm der katholische Männerverein St. Iddazell ab 1879 das ehemalige Kloster und richtete darin ein Waisenhaus und später ein Kinderheim ein. 1976 erfolgte die Umwandlung in eine Sonderschule. 1977 wurde in den Konventsgebäuden, die weiterhin dem Verein St. Iddazell gehören, wieder ein Benediktiner-Priorat eingerichtet.

Aus Wachs geschaffene Bildnisse kamen im 18. und 19. Jh. in bürgerlichen Kreisen auf. Die kleinformatigen Porträts faszinierten aufgrund der feinteiligen und detaillierten sowie äusserst realistischen Abbildung der Dargestellten. Wachs bot dabei die Möglichkeit, die Haut lebensecht und natürlich aussehen zu lassen. Weitere Materialien wurden zur Gestaltung der Büsten und Halbfiguren verarbeitet, um dem Porträt eine lebendige Präsenz zu verleihen. So kamen für die Augen Glasperlen und für die Pupillen Samen zur Anwendung, Letztere wurden nach dem Einsetzen lackiert. Auch Echthaar, Textilien für die Kleidung und Metallfolien zur Darstellung von Schmuck wurden appliziert. Das Grundmaterial bestand aus Bienenwachs und Harz, das mit Pigmenten gefärbt wurde. In einem letzten Arbeitsschritt wurden die fertig geformten und auf einem Träger angebrachten Bildnisse hinter einem schützenden Glas in einen Holzkasten mit Rahmen montiert. Die Plastiken schufen Wachsbossierer d.h. Künstler, die eine Form aus Wachs modellierten und diese Fertigkeit oft in einem vergleichbaren, dem plastischen Gestalten verpflichteten Handwerk lernten wie dem Porzellanmodellieren, der Schmiedekunst oder der Bildhauerei. Aus der Ostschweiz sind zwei, in dieser Technik bewanderte Porträtisten bekannt. Beide stammen aus der in Rickenbach bei Wil beheimateten Familie Heuberger, wobei der Erfolgreichere, der in Stuttgart ansässige Franz Xaver Heuberger (1791–1863?) in Süddeutschland und sein Stiefbruder Josef Gregor Heuberger (1779–1855) in Rapperswil tätig waren. Ersterer fertigte raffinierte, in dieser Technik künstlerisch bedeutende Werke an, weshalb zu seiner Kundschaft gehobene Kreise zählten. Josef Gregor Heuberger erlangte nicht die Virtuosität seines Stiefbruders. Seine Werke zeichnen sich durch Routine aus, die keine aufwändig modellierten oder bemalten Details aufweisen. Er goss seine Porträts und formte freihändig individuelle Züge, bevor er sie auf einer Schieferplatte anbrachte und in einen schwarzen Rahmenkasten legte.
Familie Heuberger, Wachsbossierer in Rickenbach
1843
D. 15.5, T. 3.5 cm
Wachs, bossiert; Holz, gedrechselt, geschwärzt, lackiert; Glas
T 2801
Ernst Herdi, Neue Schätze im Museum, in: Thurgauer Zeitung, 12. April 1941.

Albert Knoepfli, Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Band I, Der Bezirk Frauenfeld (Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Bd. 23), Basel 1950, S. 142.

Paul Oberholzer, Die Wachsbossierer Heuberger von Rickenbach bei Wil, in: Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte (ZAK), Bd. 38, Heft 3, 1981, S. 202–230.

Elisabeth Taube, Alles nur Wachs?, Eine kunsttechnologische Studie zu kleinformatigen Wachsbildnissen des 18. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum, in: conserva, 2022, Heft 2. https://doi.org/10.57908/cons.2022.2, aufgerufen am 17.09.2024.
Schlagwörter: Relief, Kunsthandwerk, Porträt, Herrschaft, Kloster, Hauswirtschaft, Wohnen, Andenken