Wachsporträt: Ludwig Bridler-Tobler (1778–1854), Arzt in Müllheim, Steckborner Bezirksarzt

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Halbfigurenstück im Profil nach links, in rundem Ausschnitt. Der Porträtierte trägt ein eng anliegendes schwarzes Jackett (Schweizerdeutsch Tschoope) mit breitem fallendem Revers im Stil des Biedermeiers der 1820er–1830er-Jahre. Das schwarze Halstuch liegt über dem Kragen des weissen Hemds, wobei das Kragenende über das Halstuch ragt. Bridlers Kopf ist oben kahl, seitlich trägt er das weisse Haar leicht nach hinten frisiert. Seine Stirn ist gefurcht.
Rechts des Porträtierten entlang des Rands feine helle Signatur «J. Heuberger fecit».
Das Wachsrelief liegt vertieft auf einer runden schwarzen Platte in einem verglasten Holzkasten mit profilierter Rahmung um das Glas.
Die Front des 3 mm über dem Glas liegenden Kastendeckels ist dunkel lackiert, die Seiten des Kastens sind konisch nach hinten verjüngt. Die Rückseite mit runder Papierabdeckung. Aufhängung nicht aus der Zeit.
Aus Wachs geschaffene Bildnisse kamen im 18. und 19. Jh. in bürgerlichen Kreisen auf. Die kleinformatigen Porträts faszinierten aufgrund der feinteiligen und detaillierten sowie äusserst realistischen Abbildung der Dargestellten. Wachs bot dabei die Möglichkeit, die Haut lebensecht und natürlich aussehen zu lassen. Weitere Materialien wurden zur Gestaltung der Büsten und Halbfiguren verarbeitet, um dem Porträt eine lebendige Präsenz zu verleihen. So kamen für die Augen Glasperlen und für die Pupillen Samen zur Anwendung, Letztere wurden nach dem Einsetzen lackiert. Auch Echthaar, Textilien für die Kleidung und Metallfolien zur Darstellung von Schmuck wurden appliziert. Das Grundmaterial bestand aus Bienenwachs und Harz, das mit Pigmenten gefärbt wurde. In einem letzten Arbeitsschritt wurden die fertig geformten und auf einem Träger angebrachten Bildnisse hinter einem schützenden Glas in einen Holzkasten mit Rahmen montiert. Die Plastiken schufen Wachsbossierer d.h. Künstler, die eine Form aus Wachs modellierten und diese Fertigkeit oft in einem vergleichbaren, dem plastischen Gestalten verpflichteten Handwerk lernten wie dem Porzellanmodellieren, der Schmiedekunst oder der Bildhauerei. Aus der Ostschweiz sind zwei, in dieser Technik bewanderte Porträtisten bekannt. Beide stammen aus der in Rickenbach bei Wil beheimateten Familie Heuberger, wobei der Erfolgreichere, der in Stuttgart ansässige Franz Xaver Heuberger (1791–1863?) in Süddeutschland und sein Stiefbruder Josef Gregor Heuberger (1779–1855) in Rapperswil tätig war. Ersterer fertigte raffinierte, in dieser Technik künstlerisch bedeutende Werke an, weshalb zu seiner Kundschaft gehobene Kreise zählten. Josef Gregor Heuberger erlangte nicht die Virtuosität seines Stiefbruders. Seine Werke zeichnen sich durch Routine aus, die keine aufwändig modellierten oder bemalten Details aufweisen. Er goss seine Porträts und formte freihändig individuelle Züge, bevor er sie auf einer Schieferplatte anbrachte und in einen schwarzen Rahmenkasten legte.
Heuberger, Josef Gregor (1779–1855), Wachsbossierer
um 1840
D. 10 cm, Rahmen H. 15, B. 13.4
Wachs, bossiert; Holz, lackiert; Glas; Papier
T 7691
Paul Oberholzer, Die Wachsbossierer Heuberger von Rickenbach bei Wil, in: Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte (ZAK), Bd. 38, Heft 3, 1981, S. 202–230.

André Salathé, Bridler, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.12.2006. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/022931/2006-12-21/, aufgerufen am 16.08.2025.

Elisabeth Taube, Alles nur Wachs?, Eine kunsttechnologische Studie zu kleinformatigen Wachsbildnissen des 18. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum, in: conserva, 2022, Heft 2. https://doi.org/10.57908/cons.2022.2, aufgerufen am 17.09.2024.
Schlagwörter: Relief, Kunsthandwerk, Porträt, Gesundheitswesen, Hauswirtschaft, Wohnen, Andenken