Ärmelborten mit Blumen und Schmetterlingen in Goldstickerei, hochformatig getragen, China

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Zwei fragmentarische Bänder (B. je 8.5 cm), heute lose mit schwarzem Faden an Längskanten zusammengenäht.
Äusserst feine und dichte Goldfadenstickerei mit Blumen aus dem Kanon der Blumen der vier Jahreszeiten, namentlich Päonien, Begonien und Pflaumenblüten sowie Schmetterlingen, auf blauer gemusterter Seidengaze mit eingewebten Glückssymbolen aus dem Kanon der Acht Buddhistischen Glückssymbolen, zwischen Glückswolken.
Akzentuierung der Blumen und Schmetterlingsaugen mit winzigen, rötlich schillernden Metallpailletten.

Auf einem Band an unterer Rückseite Klebeetikette «Made in China – 1945 – 27/53».


Die ca. 7–15 cm breiten Ärmelborten (wanxiu, ?? Lang- und Kurzzeichen) sind eine charakteristische Verzierung der knielangen gefütterten Jacken (ao, ? Langzeichen ? Kurzzeichen), die in der Qing-Dynastie (1644–1911) von Han-Chinesinnen der Oberschicht über langen Röcken getragen wurden. Die Borten wurden unabhängig vom Gewand auf einer separaten Seide vorgestickt, dann zugeschnitten und über den Kanten der Jackenärmel aufgenäht. Sie bildeten meist einen farblichen Kontrast zum Gewand und zeigten eine eigene Motivik. Die Bortenpaare wiesen rechts und links entweder ein exakt identisches, ein symmetrisch gespiegelt identisches Dessin, oder aber freie, sich ergänzende Dessins auf. Meist waren die rückseitigen Partien reicher bestickt als die vorderseitigen, weil beim Tragen der Jacke nur diese sichtbar waren, wenn die Damen gemäss Hofetikette die Hände in einer höflichen Geste vor der Brust verschränkten. Somit sind Ärmelborten immer im Hochformat zu betrachten. Oft befinden sich nur diese reich bestickten Partien in westlichen Sammlungen und sind somit als Fragmente eines Kleidungsstücks zu verstehen. Die aufgenähten Ärmelborten dienten einerseits zum Schutz der Ärmelkanten. Andererseits konnte ein bestehendes Gewand an modische Trends, Jahreszeiten oder Anlässe angepasst werden, indem ohne grossen Aufwand einzig die Ärmelbänder ausgetauscht wurden. Reich mit Gold bestickte Borten fanden bei offiziellen oder festlichen Anlässen Anwendung. Während umfängliche Stickereien für Kleider in professionellen Werkstätten produziert wurden, gehörte es zu den Qualitäten einer jungen Frau, kleinere Stickereien für den eigenen Bedarf, etwa für Ärmelborten, Schuhe oder Accessoires, selbst zu Hause zu sticken. Deshalb wurden Mädchen ab dem sechsten Lebensjahr in dieses Kunsthandwerk eingeführt.

Florale Motive waren auf Textilien der Qing-Dynastie (1644–1911) allgegenwärtig. Generell auf die weibliche Schönheit verweisend, waren sie als Stickereien v.a. auf seidenen Damenkleidern anzutreffen. Die Wahl der Blumen war keineswegs zufällig, sondern folgte klaren Prinzipien, um in China allgemein verständliche Botschaften zu vermitteln. Die Motive sind daher nicht nur ästhetisch reizvoll, vielmehr bringen sie Stimmungen der Jahreszeiten und persönliche Wünsche zum Ausdruck. Jede Blume ist einer Jahreszeit zugeordnet und hat in der Regel einen komplexen Symbolgehalt. Blumen verschiedener Jahreszeiten wurden gerne in einem Bild vereint, wobei sowohl die Auswahl wie die Anzahl der Blumensorten variieren und zudem nicht jede Jahreszahl vertreten sein kann. Mit solchen Blumenarrangements sollen die Glückwünsche der abgebildeten Motive über das ganze Jahr hin gelten.

Die Begonie (qiuhaitang, ??? Lang- und Kurzzeichen) ist eine Blume des Herbstes. Ihr Merkmal sind die vierblättrigen Blüten. Sie symbolisiert Schutz, Sicherheit und häusliche Harmonie.

Die Pflaumenblüte (meihua, ?? Lang- und Kurzzeichen) ist reich an Symbolkraft. Da sie bereits im Winter zu blühen beginnt, vertritt sie die kalte Jahreszeit und steht für Ausdauer und langes Leben. Als Vorbote des Frühlings repräsentiert sie Hoffnung und Erneuerung. Die erste Silbe ihres Namens wird gleich wie «schön» (mei, ? Lang- und Kurzzeichen) ausgesprochen, weshalb ihr Sinnbild auf die weibliche Schönheit anspielt. Die fünfblättrigen Blüten symbolisieren zudem fünffachen Segen (meikai wufu, ???? Langzeichen, ???? Kurzzeichen), namentlich Langlebigkeit, Reichtum, Gesundheit, Tugendhaftigkeit und einen natürlichen Tod. Mit der Pflaumenblüte wird auch der Wunsch ausgedrückt, das Beamtenexamen erfolgreich zu bestehen und damit sozial aufzusteigen.

Die Päonie bzw. Pfingstrose (mudan, ?? Lang- und Kurzzeichen) gilt in China seit der Tang-Dynastie (618–907) als Königin der Blumen. Wegen ihren üppigen Blüten sehr bewundert, wurde sie zu einem der beliebtesten Motive auf Textilien und in anderen Kunstgattungen. Sie ist eine Blume des Frühlings und verkörpert weibliche Schönheit und Eleganz. Sie wird auch «Blume des Reichtums und der Ehre» (fuguihua, ??? Langzeichen, ??? Kurzzeichen) genannt und symbolisiert daher auch materiellen Wohlstand und sozialen Status.

Der Schmetterling (hudie, ?? Lang- und Kurzzeichen) ist in Stickereien der Qing-Dynastie (1644–1911) ein sehr häufig anzutreffendes Motiv, das viele Interpretationsmöglichkeiten bietet. Da das chinesische Wort für Schmetterling ähnlich ausgesprochen wird wie «fudie» (?? Lang- und Kurzzeichen), was mit «Glück anhäufen» übersetzt werden kann, ist der Schmetterling generell ein glückverheissendes Motiv. Auch auf die weibliche Schönheit und romantische Liebe verweisend, symbolisieren Schmetterlinge ein harmonisches und langanhaltendes Eheglück. Die Kombination von Schmetterlingen mit Blumen repräsentiert ferner einen üppigen Sommer, was mit Wohlstand gleichzusetzen ist. Da die zweite Silbe des Namens gleich wie «70-jährig» (die, ? Lang- und Kurzzeichen) ausgesprochen wird, ist der Schmetterling zudem eine Anspielung auf den Wunsch nach Glück bis ins hohe Alter.
Ist der Schmetterling mit Päonien kombiniert, soll sich neben Glück auch Reichtum vermehren.

Die Zahl «Acht» gilt in China als Glückszahl, welche wünschenswerte Dinge ankündigt. Jede der drei grossen Religionen – Taoismus, Konfuzianismus und Buddhismus – wartet mit einer eigenen Gruppe aus acht Glückssymbolen auf. Innerhalb der Gruppe treten die Symbole in verschiedenen Variationen auf, auch müssen nicht alle acht abgebildet sein. Zudem können Symbole verschiedener Religionen kombiniert werden.

Zu den Acht Buddhistischen Glückssymbolen (bajixiang, ??? Lang- und Kurzzeichen) gehören das Rad der Lehre, welches die buddhistische Weisheit vertritt; die Muschel, welche zum gemeinsamen Gebet ruft; der Sonnenschirm, welcher königliche Würde versinnbildlicht; der Baldachin, welcher die Vorrangstellung des Buddhismus gegenüber anderen Religionen symbolisiert; die Lotosblume, Sinnbild für geistige Reinheit; die Vase mit Deckel, welche das heilende und lebensverlängernde himmlische Elixier enthält; das Fischpaar, ein Symbol für Glück und Erfolg, zwei Zustände, die sich Dank des buddhistischen Wissens einfinden; der Endlosknoten, welcher den Pfad zum Glück sowie die endlos geltende buddhistische Lehre symbolisiert. Dargestellt auf Textilobjekten der Qing-Dynastie (1644–1911) zählt allerdings weniger die ursprünglich religiöse Bedeutung als viel mehr die Magie, die in den glücksversprechenden Symbolen innewohnt.

Das wunscherfüllende Ruyi-Zepter (ruyi, ?? Lang- und Kurzzeichen) ist ein chinesischer Talisman, der spätestens ab den Sechs Dynastien (220–589) nachweisbar ist. Es handelt sich um einen leicht geschwungenen Stab mit einem Kopf, der in seiner Form an den wolkenförmigen Pilz der Unsterblichkeit (lingzhi» ?? Langzeichen, ?? Kurzzeichen) erinnert, welcher aufgrund seiner magischen und lebensverlängernden Kräfte hochgeschätzt wird. Der Begriff «ruyi» (?? Lang- und Kurzzeichen) bedeutet wörtlich übersetzt «alles nach Wunsch» und verspricht dem Besitzer Glück und Segen. Ursprünglich ein Statussymbol für Autorität, erfüllte das Zepter während der Qing-Dynastie (1644–1911) einen rein symbolischen Zweck. Als dekoratives Element bei Stickereien ist entweder das ganze Ruyi-Zepter dargestellt oder Wolken und Wellen zeigen sich in der Form des Zepter-Kopfes, immer mit der gleichen Bedeutung der Wunscherfüllung.
2. Hälfte 19. Jh.
L. 70.5, B. 17.5 cm
Stickgrund aus blauer gemusterter Seidengaze in Leinwandbindung Dreherbindung im Muster; Goldlahn (Goldfolie in Z-Drehung um Seidenseele gewickelt) in Anlegetechnik; Aufgenähte rötlich schillernde Metallpailletten
T 23698
Inventar Textilsammlung Robert Akeret, Museum des Kantons Zürich, Ethnographische Sammlung, 1959, Kpt. II. China, Punkt 1.

Josiane Bertin-Guest, Chinese Embroidery, Traditional Techniques, Iola 2003.

Walter Brix, Der Goldene Faden, Bestandskatalog der Textilien aus China, Korea und Japan im Museum für Ostasiatische Kunst Köln, Köln 2003, zu Ärmelborten s. S. 94–110.

Terese Tse Bartholomew, Hidden Meanings in Chinese Art, San Francisco 2006.

Patricia Bjaaland Welch, Chinese Art, A Guide to Motifs and Visual Imagery, North Clarendon 2008.

Michèle Grieder, Ein in Vergessenheit geratener Schatz, Die ostasiatische Sammlung des Textilmuseums St. Gallen, in: Michaela Reichel und Hans Bjarne Thomsen (Hrsg.), Kirschblüte & Edelweiss, Der Import des Exotischen, St. Gallen 2014, S. 11–34.

Sau Fong Chan, Chinese Dress in Detail, London 2023.
Schlagwörter: Ethnografica, Textilien, Kunsthandwerk, Hauswirtschaft, Bekleidung Frau, Symbol, Botanik, Tier, Symbol, Religion buddhistisch