Gemälde: Porträt mit Caspar (Caspar I.) Gonzenbach (1648–1721), Leinwandfabrikant aus Hauptwil im Alter von 66 Jahren

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Halbfigurenstück mit Körper im Profil nach rechts gewandt, Gesicht im Viertelprofil. Gonzenbach trägt einen braunen Rock mit rotbraunem Revers und ebensolcher Borte an den weiten Ärmelenden sowie ein weisses Jabot mit Spitzenbesatz. Unter dem rechten Ärmelende schaut die weisse Spitzenborte seines Hemdes hervor. Das mittelgescheitelte schwarze Haar fällt ihm auf die Schulter. Eine hohe Stirn und eine breite Nase zeichnen sein volles Gesicht aus, sein Blick fällt auf die bildbetrachtende Person. Da sowohl die Kleidung des Porträtierten wie der Hintergrund dunkel gemalt sind, stechen Gonzenbachs Stirn und seine rechte Hand hervor, die beide hell beleuchtet sind. In Letzterer hält er einen Brief mit gebrochenem rotem Siegel.
Das Bildnis liegt in einem, die Scheitelpunkte angeschnittenen hochovalen Medaillon, wobei sich der Braunton des Medaillongrunds und jener der Zwickel in den Bildecken kaum unterscheiden.

Bildaufschrift auf Höhe des Kinns rechts, mit Altersangabe des Porträtierten und Datierung des Bildes «aetat: 66. Anno 1714».
Die rückseitige Beschriftung benennt den Dargestellten und seine Lebensdaten «Caspar Gonzenbach / nat. 1648 t 1721».
Die Familie Gonzenbach in Hauptwil war die erste Industriellenfamilie der Schweiz. Zuerst prominent und erfolgreich im St. Galler Leinwandhandel tätig, bauten zwei ihrer Mitglieder, die Brüder Bartholome (1616–1693) und Hans Jakob I. (1611–1671), in der 2. Hälfte des 17. Jhs. ein frühindustrielles höchst profitables Unternehmen auf, indem sie Leinwandstoff, frei von städtischen Verordnungen, produzierten und veredelten sowie mit den Tuchballen Handel betrieben. Aufgrund von Unstimmigkeiten mit der konservativen St. Galler Kaufmannschaft richteten die Brüder Gonzenbach im Osten des Thurgaus, an der Grenze zu St. Gallen, Fabrikationsstätten ein, weshalb sich das kleine landwirtschaftlich geprägte Dorf Hauptwil innerhalb weniger Jahre zu einem Zentrum der europäischen Leinwandproduktion entwickelte. War vorerst die Herstellung und das Bleichen des Tuches lukratives Standbein des Geschäfts, erlangte das Färben und Bedrucken der Textilien im Verlauf des 18. Jhs. an Bedeutung. Die Familie pflegte einen gehobenen Lebensstil in Anlehnung an den Geschmack des Adels und bewohnte die zwei herrschaftlichen Gebäude, das Alte (Untere) und das Neue (Obere) Schloss in Hauptwil. Auch gehörten ihr die Niedergerichte Hauptwil und Freihirten. Zudem machten einzelne Familienmitglieder vom Adelsprädikat «von» Gebrauch, obschon dem Namenszusatz weder kaiserliche noch königliche Verbriefungen zugrunde lagen. Im Weiteren verhinderte ein Fideikommiss (Familienstiftung) die Schmälerung des Vermögens aufgrund von Erbteilungen. Ab den 1690er-Jahren kam es zur Trennung der beiden Familienzweige, die auf die Gründer der Industriellendynastie, Bartholome und Hans Jakob, zurückgingen. Die Familie des Ersteren löste sich aus der Familienstiftung und Caspar übernahm deren Vorsitz als einziger Bevollmächtigter. Die Stiftung bestand bis 1856 und wurde danach in bis heute bestehende Fonds umgewandelt.
Caspar Gonzenbach führte die Textilgeschäfte bereits seit 1671, dem Todesjahr seines Vaters Hans Jakob. Trotz des angespannten Verhältnisses zur St. Galler Gesellschaft heiratete Caspar 1675 Ursula Cunz (1651–1700), Tochter des St. Galler Seckelmeisters.
1714
H. 87.5, B. 72.5, T. 4.5 cm
Öl auf Leinwand
T 44261
Ernest Menolfi, Hauptwil-Gottshaus, Frauenfeld 2011, S. 65–127, 362–363.

Stefan Keller, Spuren der Arbeit, Weinfelden 2020, S. 7–18.
Schlagwörter: Hauswirtschaft, Malerei, Porträt, Industrie, Textilien