Gewehr mit kombiniertem Rad- und Luntenschlossmechanismus (Muskete), Vorderlader wohl österreichischer Provenienz

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Runder glatter Lauf, hinteres Laufdrittel oktogonal, Übergang gestuft und mit vier runden Dellen versehen, diese liegen quer zum Lauf in einer Linie über den Kanten. Eisenvisier. Fehlendes Korn, Spuren seiner Anbringung. Flache Schlossplatte mit kombiniertem Lunten- und Radschlossmechanismus: Aussenliegendes Rad mit Radführung und gewinkeltem Hahn mit Feuerstein zwischen Lederstück. Dazu ein separater Luntenhahn für Schnappermechanismus. Pfanne mit Schiebedeckel (Schutzvorrichtung). Schloss und Abzugsbügel mit vereinzelt graviertem Dekor. Eisenblechgarnitur mit (halbem) Vorderband und einer schmalen Ladestockpfeife. Zweite Ladestockpfeife und Kolbenabschlussblech fehlen. Voller Buchenholzschaft in Form eines deutschen Schafts. Holzladestock aus Nussbaumholz (alt ergänzt).

Schläge: Lauf mit Beschaumarken amtlicher Prüfung der Stadt Suhl «SVL» (1618) sowie in Form eines Huhns mit «S» (ca. 1670). Weitere Punze «SE», diese aufgeführt bei Heer, Bd. 1, S. 354, Marke 4465 (Lit.) mit der Angabe «Suhl, ca. 1660» und dem Hinweis, dass sich in der Kunstsammlung der Veste Coburg (DEU) eine Waffe mit der gleichen Marke befinden würde.

Kaliber: 18 mm
Das Radschloss ist eine Erfindung der Renaissancezeit (16. Jh.). Seine Zündung war zwar zuverlässiger als jene beim einfachen Luntenschloss, doch der komplexe Mechanismus war aufwändig in der Anfertigung und daher teuer und erforderte zudem grosse Sachkenntnisse. Beim Anschüren der Zündeinrichtung dieses Vorderladers konnten sowohl Lunten (glimmende Zündschnur) als auch Feuersteine zum Auslösen des Schusses verwendet werden.
Die Kombination von verschiedenen Schloss- bzw. Zündsystemen optimierte die Schussabgabe, weshalb sich dieses Gewehr als robuste Kriegswaffe auszeichnete.
Die gegen Ende des 16. Jhs. entwickelte Muskete hatte einen langen Lauf und war im 18. Jh. die Hauptwaffe der Infanterie. Ihr Schuss erreichte eine hohe Mündungsgeschwindigkeit sowie eine gesteigerte Reichweite und Durchschlagskraft. Die Zündung erfolgte mit einer Lunte, später mit einem Rad- oder Steinschlossmechanismus.
Im letzten Viertel des 17. Jhs. lässt sich der Einsatz von Musketen mit zusammengeführtem Lunten- und Radschloss vor allem im Herrschaftsgebiet von Österreich-Ungarn nachweisen. Die Vereinigung verschiedener Schloss- bzw. Zündsysteme optimierte die Schussabgabe.

In der Stadt Suhl, in der ehemaligen Grafschaft Henneberg in Südthüringen (DEU), wurden seit der 2. Hälfte des 16. Jhs. Waffen hergestellt. Ende des 17. Jhs. belieferten dortige Büchsenmacher die Heere Europas mit Gewehren und fertigten prunkvoll verzierte Jagdwaffen für den Adel an. Suhl galt als Rüstungskammer Europas. Auch die eidgenössischen Zeughäuser deckten ihren Bedarf an Handfeuerwaffen seit 1580 mit Erzeugnissen aus Thüringen. Suhler Feuerwaffen sind zur Kennzeichnung der Herkunft mit der «Huhnmarke» geschlagen worden. Das auf der Punze abgebildete Tier ist ein Teil des Stadtwappens von Suhl.
4. Viertel 17. Jh.
L. 151 cm, Lauflänge 111.6 cm
Stahl; Eisen, geschmiedet; Buchholz; Nussbaumholz (Putzstock)
Wg 35
Eugène Heer, Der neue Stöckel, Bd. 1, Internationales Lexikon der Büchsenmacher, Feuerwaffenfabrikanten und Armbrustmacher von 1400–1900, Schwäbisch Hall 1978, S. 354, Marke 4465.

Eugène Heer, Der neue Stöckel, Bd. 3, Internationales Lexikon der Büchsenmacher, Feuerwaffenfabrikanten und Armbrustmacher von 1400–1900, Schwäbisch Hall 1982, S. 1703–1707, Marken 1655, 1711.

Peter H. Kunz, Technische Entwicklung der Feuerwaffe 1200 bis 1900, Eine Zusammenfassung der wichtigsten historischen und technischen Daten in Texten, Zeichnungen und Bildern, Zürich 2008, S. 305.

Thomas Müller, Spangenberg, in: Neue Deutsche Biographie 24, 2010, S. 621–622. https://www.deutsche-biographie.de/pnd133904350.html#ndbcontent, aufgerufen am 14.07.2023.

https://www.werkblende.de/produktionen/suhler-waffen-praezision-aus-meisterhand/, aufgerufen am 05.09.2023.
Schlagwörter: Militaria, Waffen