Kleine Flasche für Kondensmilch mit «Milchmädchen»

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Glasfläschchen mit gläsernem Stopfen mit Dichtungsring aus Gummi. Die Etikette zeigt ein «Milchmädchen» vor alpiner Kulisse mit Bergen und Kuh sowie Schweizerkreuz und Umschrift «First Swiss Alpine Milk Exporting Company – Romanshorn Switzerland», umrahmt von einem Kranz aus Edelweiss und Alpenrosen.

Beschriftung der Etikette auf Englisch und Französisch: «THE PURE SWISS ALPINE MILK Condensed free from sugar or any other addition» und «LAIT PUR DES ALPES SUISSES concentré sans addition de sucre ou d'autre substances étrangères» sowie Inhaltsangabe und Anweisung zur Zubereitung.
1882 gründeten die Unternehmer Ferdinand und M. Philipp im nahe bei Romanshorn gelegenen Egnach die Milk Exporting Company. Diese Firmengründung fiel zusammen mit einer starken Zunahme der Viehzucht und der marktorientierten Milchverwertung, die gerade im Thurgau zu einem fundamentalen Wandel bisheriger landwirtschaftlicher Strukturen führte.

Dem innovativen Thurgauer Unternehmen war aber kein langfristiger Erfolg beschieden. Bereits 1887 änderte der Besitzer. 1902 wurde der Betrieb vom damaligen Marktführer, der bereits 1866 gegründeten «Anglo-Swiss Condensed Milk Co.» übernommen und vier Jahre später zugunsten des Hauptsitzes in Cham (ZG) eingestellt. 1905 fusionierte die Anglo-Swiss Condensed Milk Co. mit dem späteren Grosskonzern Nestlé unter Beibehaltung ihrer Firmensitze und Markenzeichen.

Das Herstellungsverfahren für Kondensmilch stammte ursprünglich aus Amerika. Es war eine neue, wissenschaftsbasierte industrielle Methode der Nahrungsmittelherstellung und -konservierung. Da frische Milch nur kurz haltbar war, wurde sie erhitzt, eingedickt und als Konservierungsmittel Zucker beigefügt. Später gelang die industrielle Herstellung ungezuckerter, ebenfalls haltbarer Kondensmilch.

Nach einer Krise in der zweiten Hälfte der 1880er-Jahre verzeichnete die schweizerische Kondensmilchindustrie bis zur Mitte des Ersten Weltkrieges einen Aufschwung. Die Hauptabsatzmärkte waren ganz Europa, hauptsächlich England, sowie die USA. Verwendung fand die Kondensmilch nicht nur in der Herstellung von Säuglingsnahrung, im Tourismus, beim Militär und bei der Seefahrt, sondern zunehmend in der Schokoladenindustrie. Mit dem «Milchmädchen» wurden Schweizer Stereotype bewusst in Szene gesetzt und als Marketinginstrument benutzt. Zielpublikum war die städtische Bevölkerung englischer, französischer und amerikanischer Grossstädte. Die Schweiz inszenierte sich als heile Bergwelt, in der die Milch fliesst.

First Alpine Milk Exporting Company (1882–1906) in Egnach, Hersteller von Kondensmilch
1882–1906
H. 16.4, D. 7 cm
Glas, Gummi, Papier
T 38858
Boyd Winchester, The Swiss Republic, Philadelphia/London 1891 (Nachdruck Cambridge 2010), S. 317.

Egon Isler, Industrie-Geschichte des Thurgaus, Zürich 1945, S. 124/176.

Albert Pfiffner, Anglo-Swiss Condensed Milk Co., in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.09.2008. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/041777/2008-09-11/, aufgerufen am 19.11.2024.

Albert Pfiffner, Kondensmilch, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.02.2015. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013998/2015-02-11/, aufgerufen am 19.11.2024.
Schlagwörter: Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe, Essen, Trinken, Werbung, Behältnisse