Münze: Taler der Grafschaft Tirol, geprägt in Hall in Tirol zur Zeit von Kaiser Joseph I. (1705–1711), aus der Sammlung von Maria Walenta (1876–1961)

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Vs.: Umschrift: «IOSEPHUS . D : G : ROM : IMP : SE : AV : – G : HV : BO : REX .» (Joseph von Gottes Gnaden römischer Kaiser, allzeit Mehrer des Reichs, König des Deutschen Reichs, von Ungarn und Böhmen). In Strichelkreis geharnischte Büste des Kaisers mit langer Allongeperücke mit Lorbeerkranz (Symbol des Siegs und Ruhms) und der Ordenskette vom Goldenen Vlies, nach rechts.
Rs.: Umschrift: «ARCHID : AVST – DVX : BV : COM : TYR . 17 – 07 .» (Erzherzog von Österreich, Herzog von Burgund, Graf von Tirol 1707). In Strichelkreis bekrönter mehrteiliger Schild mit sieben Wappen, von links nach rechts, oben: die beiden Wappen von Ungarn und Böhmen; unten: gespaltenes Wappen Österreich-Burgund, Wappen von Österreich nieder der Enns, Wappen von Flandern oder Brabant sowie das Wappen von Görz, mit aufgelegtem Tiroler Wappenschild mit Adler in der Mitte, umgeben von der Ordenskette vom Goldenen Vlies.
Die Vorderseite präsentiert die Porträtbüste des Kaisers des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation Joseph I. (1705–1711), der als Habsburger zugleich Landesherr über eine Vielzahl von Territorien im Südosten des Reichs war, die 1804 zum Erbkaisertum Österreich zusammengefasst werden sollten. Harnisch und Lorbeer greifen auf beliebte Bildmotive für Herrscherporträts zurück, die bereits auf römischen Münzen abgebildet sind. Während der Harnisch auf militärische Stärke und Tugenden hinweist, zeichnet der Lorbeerkranz den Träger als siegreichen Feldherrn aus. Die repräsentative Allongeperücke (frz. allongé (verlängert), eine Perücke mit langen Locken), die vom französischen König Ludwig XIV. (1643–1715) als offizielle Haartracht eingeführt worden war, fand rasch Verbreitung an den europäischen Höfen. Sie stellte nicht nur ein männliches Modeaccessoire dar, sondern gehörte zu den barocken Repräsentationsmitteln bei der Selbstdarstellung gekrönter Häupter. Die Rückseite trägt den mehrteiligen Wappenschild der Habsburger Monarchie mit den vielen Herrschaftsgebieten, von denen die wichtigsten sieben Länder mit ihren Wappen dargestellt sind bzw. in der Umschrift der Münze erwähnt werden. In diesem Fall sind in der oberen Hälfte des Schilds das Wappen des Königreichs Ungarn mit den abwechselnd rot-silbernen Querbalken für Alt-Ungarn und dasjenige des Königreichs Böhmen mit dem nach links schreitenden bekrönten doppelschwänzigen böhmischen Löwen (Gold auf Rot). Die untere Reihe zeigt das zweigeteilte Wappen von Österreich-Burgund mit dem österreichischen Bindenschild (silberner Querbalken auf Rot) und die drei goldenen Schrägbalken auf Blau für Alt-Burgund, gefolgt vom Wappen mit den fünf goldenen Adlern in Blau für das Erzherzogtum Österreich nieder der Enns (heutiges Niederösterreich mit Wien), dem Wappen mit dem flandrischen oder Brabanter Löwen nach links und zuletzt das schräggeteilte Wappen der Grafschaft Görz mit den sich in Rot und Silber abwechselnden Querbalken in der unteren Hälfte und dem goldenen Löwen in Blau im oberen Teil. Aufgelegt in der Mitte des grossen Schilds erscheint der kleine Tiroler Wappenschild mit Adler für die Grafschaft Tirol. Dieser vielgestaltige Wappenschild repräsentierte mit allen kleinteiligen Wappendarstellungen das Konglomerat unterschiedlicher Länder, aus denen die Habsburger Monarchie bestand. Im Gegensatz zu anderen Ländern in Europa, wo sich bereits seit dem ausgehenden Mittelalter einheitliche Königreiche mit einer zentralen Verwaltung etabliert hatten, blieb der habsburgische Gesamtstaat bis weit ins 18. Jh. hinein ein Konglomerat unterschiedlicher Länder und Herrschaften mit eigenen Verfassungen und Rechten. Erst im Laufe des 18. Jhs. gelang es dem Wiener Hof zunehmend, die Verwaltung zu vereinheitlichen.

Eine Besonderheit der habsburgischen Münzprägung dieser Zeit ist der heraldische Hinweis auf das Teilgebiet, in welchem die Münze geprägt wurde. In diesem Fall weist der kleine Wappenschild in der Mitte des grossen Schilds auf der Rückseite der Münze auf die Grafschaft Tirol hin, dessen Landesherr Joseph I. war. Dieser Hinweis findet sich auch am Ende der Umschrift der Rückseite, wo die Nennung «COM : TYR .» für Comes Tyrolis (Graf von Tirol) steht.
Eingefasst wird der grosse Wappenschild von der Kette des Ordens vom Goldenen Vlies. Das Goldene Vlies (Widderfell) bezieht sich auf einen Widder aus der griechischen Mythologie, der reden und fliegen konnte. Sein goldenes Fell soll im Hain von Ares, dem Gott des grauenvollen Kriegs, aufbewahrt und schliesslich von den Argonauten (Heroen) geraubt worden sein.
1430 gründete Philipp von Burgund (1396–1467) den Ritterorden vom Goldenen Vlies, wobei er das mythologisch aufgeladene Widderfell zum Symbol (Kleinod) des Ordens bestimmte. Schnell etablierte sich der Ritterorden des Goldenen Vlieses zur exklusivsten Gemeinschaft von Adligen in ganz Europa. Mit der Heirat von Maximilian von Österreich (1459–1519) und Maria von Burgund (1457–1482), der Erbenkelin des Ordensgründers, ging die Zuständigkeit über den Orden 1477 an das Haus Habsburg über, das seit dem 16. Jh. in eine spanische und eine österreichische Linie geteilt war. An seiner Spitze steht jeweils ein Grossmeister, welcher ursprünglich durch die burgundischen Herzöge, später durch die als Kaiser regierenden Habsburger (österreichischer Zweig) bzw. spanischen Könige (spanischer Zweig) gestellt wurde. Einer der Grossmeister war Joseph I., der hier Porträtierte. Er übernahm dieses Amt 1705 mit der Kaiserwürde des Heiligen Römischen Reichs. Folgerichtig trägt er auf der Vorderseite der Münze über dem Harnisch die Ordenskette vom Goldenen Vlies.
Die goldene Kette ist aus zwei plastischen alternierenden Kettengliedern aufgebaut, nämlich aus Feuersteinen mit je schwarz emaillierter Halbkugel mit weissen Tupfen und seitlich wegzüngelnden Feuerstrahlen sowie aus je zwei Feuereisen mit hakenförmigen ineinander gehängten Griffen. Feuerstein und Feuereisen illustrieren den Leitspruch des Ordens «Ante ferit quam flamme micet» (Zuvor der Schlag, dann glänzt die Flamme). Das Ordenssymbol zeigt der plastische Kettenanhänger in Form des Widderfells (Vlies).

Maria Walenta (1876–1961) wurde im tschechischen Graslitz geboren und kam um 1903 zu ihrem Bruder Rudolf (1875–1933) nach Frauenfeld, der hier bereits seit 1893 bei der Instrumentenbauerin Marie Wolf arbeitete. Maria Walenta führte wohl den Haushalt Wolf, in welchem auch ihr Bruder lebte. Marie Wolf vermachte per Testament Maria Walenta 1934 ihr Haus an der Thundorfstrasse zur Nutzniessung bis zu ihrem Tod. Nach dem Willen der Testatorin sollte dieses Objekt nach dem Tod der Begünstigten an die Bürgergemeinde Frauenfeld übergehen, wobei der Erlös aus dem späteren Verkauf der Liegenschaft für einen Musikpavillon sowie für einen Springbrunnen im Stadtpark Burstel bestimmt war. Das Legat wurde als «Fräulein Marie Wolf und Herrn Rudolf Walenta-Fonds» bezeichnet.
Maria Walenta vermachte ihrerseits dem Historischen Museum Thurgau eine reichhaltige Münz- und Papiergeldsammlung (vor allem Notgeld um 1920, Banknoten, Gutscheine und Marken aus Papier) sowie einige Antiquitäten. Wer die Münzen erworben hat – Maria Walenta, ihr Bruder oder die Familie Wolf –, bleibt unklar.
König, Johann Anton (tätig 1686–1731), Stempelschneider
1707
D. 42.7 mm
Silber, Prägung
T 37328
Chester L. Krause, Clifford Mishler, Standard Catalog of World Coins 1701–1800, Iola 2000, Nr. 665.

Heinz Moser, Heinz Tursky, Die Münzstätte Hall in Tirol 1665–1809, Innsbruck 1981, S. 60, Abb. 810.
Schlagwörter: Numismatik, Kunsthandwerk, Herrschaft, Porträt, Heraldik, Symbol, Tier