Patientenstuhl aus der Apotheke der Strafanstalt Tobel (1811–1973)

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  Fotografie des Stuhls in situ um 1950. Aus: Rothenbühler, S. 189, Abb. 63.

Liege aus Eisengestell mit Bein- und Rückenteil, die mittels Zahnraster in für die Untersuchung notwendige Position gebracht werden können. Vorderbeine auf Rollen, ausgeschwungene Hinterbeine auf verstärkten Standkappen. Rücken-, Mittel- und Beinteil je aus hölzerner Rückseite und gepolsterter Vorderseite. Armlehnen mit gepolsterter Auflage. Braun beschichtetes Gestell mit Filet in Goldbronze. Braunes Leder. Etikette auf Rückseite des Rückenteils mit Aufschrift «Hausmann A. G. St. Gallen / Basel – Génève – Zürich».
Ein nebenamtlicher Arzt betreute ab 1845 regelmässig die Häftlinge. Auf dem in Liegeposition verstellbaren Stuhl nahmen die Patienten Platz, die der Arzt in der Anstaltsapotheke behandelte. Womöglich diente er auch als Zahnarztstuhl. 1881 wurde neben der Gefängnisbibliothek eine Apotheke eingerichtet, wo auch der Zahnarzt praktizierte, der in Störarbeit in Tobel praktizierte.

1811 eröffnete der Kanton Thurgau in der ehemaligen Malteserkommende Tobel die erste kantonale Strafvollzugsanstalt für Frauen und Männer. Die sowohl als Zucht- wie auch als Arbeitshaus dienende Einrichtung hatte zum Ziel, Obdachlose, Landstreicher und Landstreicherinnen, «Arbeitsscheue» und «Liederliche» mittels produktiver Beschäftigung zu disziplinieren, weshalb alle Häftlinge in einen Arbeitsprozess einbezogen waren. Einerseits wurden sie ausserhalb der Anstalt eingesetzt und mussten beim Strassenbau sowie in der Industrie und im Gewerbe Hand anlegen, andererseits waren sie in den hauseigenen Werkstätten (Weberei, Flechterei, Schreinerei) und im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb tätig. Die weiblichen Gefangenen übernahmen hauswirtschaftliche Tätigkeiten wie Spinnen, Nähen, Waschen und Kochen. 1829 trennte man die Zuchthaus- von den Arbeitshausinsassen und -insassinnen. Bis 1840 unterstand die Institution der Zucht- und Arbeitshauskommission, danach oblag die Kontrolle direkt dem Polizei- und Justizdepartement.
Hausmann AG, Medizinal- und Sanitätsgeschäft, gegründet 1899
1. Hälfte 20. Jh.
H. 135, B. 66, T. 90 cm
Eisen; Leder; Holz
T 21830
Verena Rothenbühler, Hinter Schloss und Riegel, Die Strafanstalt Tobel 1811–1973, in: Im Tobel der Busse, Komturei und Strafanstalt Tobel 1226–2014 (Thurgauer Beiträge zur Geschichte, Bd. 152), Frauenfeld 2015, S. 79–202, bes. S. 189, Abb. 63.
Schlagwörter: Staatliche Institutionen, Justiz, Gesundheitswesen, Hygiene, Möbel