Petschaft: Achteckiger Siegelstempel der Pfründenkommission des Kantons Thurgau, mit Handhabe

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Vs.: «CANTON THURGAU», spiegelverkehrt, darunter mit Girlanden behängte Schriftplatte mit zweizeiligem Schriftzug: «PFRÜNDEN / COMMISSION», spiegelverkehrt. Aussen einfache Linienrahmung.
Rs.: Handhabe aus achteckigem gedrungenem massivem Schaft mit abgesetztem polygonalem Fuss, welcher zu einer achteckigen Bodenplatte ausläuft.
Mit dem Gesetz vom 24.09.1804 über den Loskauf (Ablösung) der Grundzinsen auf bäuerlichen Grundbesitz wurde die kantonale Pfründenkommission einberufen, welche die Erträge und Ablösgelder der Pfründen verwaltete, über welche der Kanton oder weitere Besitzer das Kollaturrecht (Einsetzung der Pfarrherren und Verwaltung des Kirchengutes) ausübten. Mit der Aufhebung der Pfründen, welche bis anhin dem Unterhalt der Pfarrherren dienten, wurde nicht nur die Abschaffung der alten, unzeitgemässen Feudallasten auf bäuerlichen Gütern angestrebt, sondern auch die Besoldung der Pfarrherren durch die Zinsen des durch die Pfründenkommission verwalteten Kapitals, wobei die Geistlichen zu Staatsangestellten wurden. Im Dekret des Kleinen Rats vom 30.11.1805 wurden die Aufgaben der Kommission festgelegt. Gelder aus dem Loskauf der Gefälle (Feudallasten) sollten durch die Kommission in Schuldscheine angelegt und einmal jährlich eine Abrechnung darüber erstellt werden. Mit den Dekreten vom 19.12.1809 und 19.12.1810 wurde die Verwaltung der Pfrundvermögen den Kirchgemeinden überlassen, weshalb die Kommission überflüssig und 1810 endgültig aufgelöst wurde.

Der vorliegende Siegelstempel lässt sich aufgrund des entsprechenden Eintrags in der Staatsrechnung des Kantons Thurgau der Jahre 1806/1807 genau datieren. Unter dem Datum vom 30. September 1806 erscheint ein Ausgabenposten von 8 Gulden 15 Kreuzer an den Graveur Balthasar Vorster von Diessenhofen, welcher ein «Sigill» (Siegelstempel) zum Gebrauch der Pfründenkommission geschnitten hatte.
Vorster, Balthasar (1749–1826), Graveur und Petschaftstecher in Diessenhofen
1806
L. 5.2, B. 3.4, H. 4 cm
Eisen, gegossen, geschmiedet, graviert, punziert, poliert
Mc 20
Rechnung über die Einnahmen und Ausgaben des Kleinen Raths des Cantons Thurgau vom 1. April 1806 bis dem 31. März 1807 (Staatsrechnung), Staatsarchiv Thurgau (StATG), 4'305'3.

Tagblatt der Beschlüsse, Dekrete und Verordnungen, welche von dem Grossen und dem Kleinen Rath des Kantons Thurgau ausgegangen, Dritter Theil, Frauenfeld 1805, S. 33–46 (Gesetz zum Loskauf der Grund- und Bodenzinsen, 24.09.1804).

Tagblatt der Beschlüsse, Dekrete und Verordnungen, welche von dem Grossen und dem Kleinen Rath des Kantons Thurgau ausgegangen, Vierter Theil, Frauenfeld 1805, S. 261–263 (Dekret des Kleinen Rats zur Schaffung der Pfründenkommission, 30.11.1805).

Tagblatt der Geseze und Verordnungen, welche von dem Grossen und dem Kleinen Rath des Kantons Thurgau ausgegangen, Neunter Theil, Frauenfeld 1810, S. 62–64 (Dekret zu den gesetzlichen Grundlagen zur Verwaltung des Pfrundvermögens durch die Kirchgemeinden, 19.12.1810).

Leonard Forrer, Biographical Dictionary of Medallists, Coin, Gem, and Seal-Engravers, Mint-Masters, & c., Ancient and Modern with references to their works, B.C. 500 – A.D. 1900, London 1902–1930, Bd. 6, S. 312–313 (Balthasar Vorster).
Schlagwörter: Sphragistik, Kunsthandwerk, Staatliche Institutionen, Kommunikation, Justiz, Kirche