Petschaft: Runder Siegelstempel der Maria Benedicta Keller von Eschenz, letzte Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters Kalchrain (1828–1848), mit Handhabe

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Vs.: «SIGILL. MARIAE . BENEDICTAE . KELLER . ABBAT. M. Z. KALCHRAIN», spiegelverkehrt, AE jeweils ligiert, viergeteilter und tingierter Wappenschild der Äbtissin Maria Benedicta Keller mit doppelt geschachtetem Schrägbalken (Ordenswappen), in mit Girlanden behängter Kartusche, welche überhöht wird von der Muttergottes mit Kind auf Mondsichel, flankiert von einem Bügelhelm mit Federn und einem Krummstab. Aussenrahmung aus einem Perlkreis.
Rs.: Eiserne Handhabe aus achteckigem, schlankem Schaft mit polygonal auslaufendem rundem Fuss. Siegelplatte aus Messing an Fuss gelötet.
Das Kloster Mariazell am Kalchrain («Unserer Lieben Frauen Zelle zu Kalchrain») wurde gemäss der Klostertradition 1230 durch die Herren von Hohenklingen gegründet. Erstmals urkundlich fassbar wird die Klostergemeinschaft im frühen 14. Jh. Heute geht man davon aus, dass die Gründung des Klosters zwischen 1324 und 1331 erfolgte.

Bereits der Name Mariazell (= Zelle, Haus Mariens) lässt auf die Weihung des Zisterzienserinnenklosters Kalchrain an die Muttergottes schliessen (Namenspatrozinium). Folgerichtig übernahmen die Zisterzienserschwestern im Kalchrain die Darstellung der thronenden Muttergottes als Klosterwappen. Zeitgleich geniesst die Muttergottes als Schutzpatronin des Zisterzienserordens bis heute einen hohen Stellenwert innerhalb der Ordensgemeinschaft. Die Abbildung Marias findet sich oberhalb des Wappenschilds an zentraler Lage zwischen Helm und Krummstab.

Da es sich beim Siegelstempel der Äbtissin Maria Benedicta Keller von Eschenz um das persönliche Petschaft als Vorsteherin des Klosters handelt, nimmt das viergeteilte Familienwappen als Hauptmotiv auf der Siegelplatte einen prominenten Platz ein. Bezüge zur Schutzpatronin des Zisterzienserordens und Namensgeberin des Kloster Kalchrains, die Mutter Gottes, als auch zum Hauptgründer des Zisterzienserordens, Bernhard von Clairvaux, sind in der Darstellung der Siegelplatte erkennbar. Der schräg durch den Familienschild der Äbtissin verlaufenden doppelt geschachteten Balken wird in der Forschung häufig als Bernhards- oder Zisterzienserbalken bezeichnet und findet sich auf den meisten Wappendarstellungen des Zisterzienserordens oder dessen Angehöriger. Er nimmt Bezug auf das angebliche Wappen Bernhards von Clairvaux, einem doppelt geschachteten Schrägbalken (schachbrettartig unterteilter Streifen) in den Farben Rot und Weiss auf schwarzem Grund.

In der Heraldik bezeichnet der Terminus Tingierung das Verfahren mittels Schraffuren oder Punktierungen die Wappenfarben bei farblosen Wappendarstellungen anzuzeigen. Die heute gültigen Regeln setzten sich erst im Laufe des 17. Jhs. durch, sodass zum Teil bei tingierten Wappendarstellungen aus dieser Zeit noch Abweichungen von den heutigen Regeln vorkommen können.
1828–1848
L. 5.8, D. 3.6 cm
Messing, graviert, punziert; Eisen, gegossen, geschmiedet, gelötet
Mc 112
Conrad Kuhn, Geschichte der thurgauischen Klöster, Die thurgauischen Frauenklöster (Thurgovia Sacra, Bd. 3), Frauenfeld 1883, S. 45–76.

H. G. Ströhle, Wappen des Zisterzienserinnenstiftes Mariastern im Voralberg, in: Schweizerisches Archiv für Heraldik, Bd. 37, 1923, S. 113.

Maria Marcella Kugler, Kalchrain, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.06.2012. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012155/2012-06-12/, aufgerufen am 21.09.2022.

https://www.heraldik-wiki.de/wiki/Bernhardswappen, aufgerufen am 28.09.2022.
Schlagwörter: Sphragistik, Kunsthandwerk, Kloster, Kommunikation, Justiz, Heraldik, Religion