Steinschlossgewehr der Thurgauer Infanterie, Vorderlader der kantonalen Truppe, Modell 1804/1817, mit Stichbajonett

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Runder glatter Lauf. Linsenkorn aus Messing auf Vorderband. Lauf mit Bajonettnocken. Eisengarnitur aus drei Bändern, Abzugsbügel, Seitenplatte und Kolbenkappe. Laufbefestigung mit Bandfedern. Zwei Bügel für den Tragriemen. Eisenladestock mit kegelstumpfförmigem Kopf. Schlosspfanne aus Messing. Kugelige Schlosshahnschraube mit Loch. Voller Nussbaumholzschaft. Kolben mit Backenausschnitt links und geradem Abschluss. Tüllenbajonett mit Dreikantklinge.

Schläge: Auf der Schlossplatte: «A. N.» (Armée nationale), phrygische Mütze, das Symbol der Französischen Revolution. «An 9 corr.» (verbessert im 9. Jahr nach der Revolution). Auf Lauf «Q4BG» (Q steht vermutlich für Quartier), zwei Mal «671» (Waffennummer), «CP» und nicht lesbare Punze. Auf Schaft «211», zwei Mal Waffennummer «671» und «21». Auf Mittelband «DN» und «M», auf Vorderband «M»(?). Auf Bajonett «11» und «OY». Auf Lauf und Schaft Kontrollpunzen des kantonalen Inspektors in drei verschiedenen Ausführungen «TH», «CT» und ligiertes «CTH».

Kaliber: 17.5 mm
Die Waffe wurde unter Verwendung eines Laufs aus der Zeit um 1800 und mit Messinggarniturteilen unterschiedlicher Fertigung hergestellt. Das Steinschloss wiederum ist eine Version des französischen Schlossmodells von 1777, das 1801/02 abgeändert wurde, gemäss der Punze «An 9 corr.», die auf das neunte Jahre im Revolutionskalender verweist. Die geschlagenen Angaben auf der Schlossplatte «A. N.» (Armée nationale) sowie die phrygische Mütze, das Symbol der Revolution, zeichnen diese Waffe als französische Revolutionsanfertigung aus. Das Modell von 1777 entsprach dem eidgenössischen Reglement von 1817.
Die Anfertigung von Militärschusswaffen aus gebrauchtem Material war in der Schweiz bis in die Zeit um 1820 ein übliches Vorgehen. Anfangs vor allem aus Mangel an Bestandteilen wie Läufen und Schlössern sowie aus Ersparnisgründen, wurden derartige Gewehre in den Werkstätten der kantonalen Zeughäuser oder von einheimischen Büchsenmachern im Auftrag der milizpflichtigen Wehrmänner produziert. Denn bis zur Einführung des Bundesheers 1874 trugen die Soldaten die Kosten für ihre Ausrüstung grösstenteils selbst.
Wehrmänner, die sich keine eigene Waffe leisten konnten, bekamen diese leihweise vom Zeughaus in Frauenfeld ausgehändigt. Sowohl die Gewehre in Staats- wie in Privatbesitz waren mit dem Thurgauer Kantonsschlag versehen, der in drei Varianten vorliegt: «CT», «TH» und «CTH». Die mit solch einer Markierung bezeichneten Waffen entsprachen der behördlichen Vorschrift hinsichtlich der Beschaffenheit der Gewehre (Ordonnanzen). Ein erster solcher Beschluss erfolgte im Thurgau 1804 durch die kantonale Militärverwaltung. Zur Revision dieser Vorschriften bezüglich Beschaffenheit der Soldatenausrüstung kam es 1817, nun mittels einer eidgenössischen Ordonnanz. Folglich liess die eidgenössische Militäraufsichtsbehörde Modelle von Schuss- und Griffwaffen sowie von Uniformen und Ausrüstungsteilen anfertigen, damit die Büchsenmacher, Sattler und Schneider in den Kantonen die gewünschten Stücke in ihrer Werkstatt oder im Zeughaus herstellen konnten. Thurgauer Soldaten wurden erstmals 1820 mit Gewehren vom Modell 1804/1817 ausgestattet, die in der Folge Jahrzehnte im Einsatz blieben, 1842 und 1859 eine Ertüchtigung erfuhren und bis zur Einführung des Vetterli-Gewehrs Anfang der 1870er-Jahre zur Bewehrung der Schweizer Armee gehörten. Mit der Aussortierung dieser teilweise über 60 Jahre alten Stücke hörte auch die kantonale Kontrolle der Waffen und damit die Anbringung des Kantonsschlags auf. Fortan lag die Prüfung der Gewehre in den Händen der eidgenössischen Experten, welche die von ihnen erprobten Waffenteile mit Punzen versahen, die oftmals aus dem Anfangsbuchstaben ihres Nachnamens bestanden.

1619 erliessen der eidgenössische, im Thurgau amtierende Landvogt Karl Emanuel von Roll (1579–1654) und Abgeordnete des Thurgauer Gerichtsherrenstands Dekrete zur Neuformierung der Thurgauer Mannschaft. Fortan war die Gemeine Herrschaft Thurgau in acht Militärquartiere eingeteilt, die bis 1798 bestehen blieben. Die Soldaten aus den acht Quartieren Weinfelden, Pfyn (Warth), Lommis (Fischingen), Uttwil (Güttingen), Emmishofen, Ermatingen und Hüttlingen unterstanden ihrem Quartierhauptmann. Später trugen die Quartiere teilweise andere Namen, da sie nach dem Wohnort des Quartierhauptmanns bezeichnet wurden. Frauenfeld und Diessenhofen verfügten über ihr eigenes Banner. Steckborn wiederum war anfänglich Teil des Quartiers Ermatingen und führte später eine eigene Kompanie, der ein Stadthauptmann vorstand. Anfang des 19. Jhs. kam es zur Zusammenlegung der Verwaltungseinheiten. So hält die kantonale Militärordnung von 1804 die Einteilung des Kantons Thurgau in vier Quartiere (Militärbezirke) fest. Sie bildete die Grundlage für die Aushebung der Infanteriebataillone in folgenden Militärbezirken: I. Steckborn und Gottlieben, II. Arbon und Bischofszell, III. Weinfelden und Tobel und IV. Frauenfeld und Diessenhofen. Diese Ordnung bestand bis 1838.
ab 1804–um 1842 im militärischen Einsatz
L. 144.2 cm, Lauf L. 104.3 cm; Bajonett L. 53.5 cm
Stahl, Eisen, Messing, Nussbaumholz
T 40340
Albert Schoop, Geschichte der Thurgauer Miliz, Frauenfeld 1948, bes. S. 177–179, 206.

Schweizerischer Schützenverein (Hrsg.), Hand- und Faustfeuerwaffen, Schweizerische Ordonnanz 1817 bis 1967, Frauenfeld 1971, S. 20.

Kriss Reinhart, Jürg A. Meier, Pistolen und Revolver der Schweiz seit 1720, Dietikon-Zürich 1998, S. 96–98, 102.
Schlagwörter: Militaria, Waffen, Gewerbe