Steinschlossgewehr der Thurgauer Infanterie, Vorderlader der kantonalen Truppen, Modell 1804/1817

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Gebaut mit einem Schloss, das in Suhl (DEU) um 1750 hergestellt wurde und sich durch den kugeligen Kopf der Schlosshahnschraube auszeichnet. Dieser war typisch für Suhler Fabrikate.

Runder Lauf, vorne Bajonettnocken. Linsenkorn aus Messing auf Vorderband. Eisengarnitur mit drei Bändern, Vorder- und Hinterband unten zur Ladestockpfeife geformt, Abzugsbügel mit gravierten Linien, Seitenplatte und Kolbenkappe. Laufbefestigung mit Bandfedern. Schlosshahnschraube mit kugeligem Kopf mit Loch. Schlosshahn mit Feuerstein zwischen Leder. Zwei Bügel für den Tragriemen. Ladestock mit kegelstumpfförmigem Kopf. Voller Nussbaumholzschaft mit langem Hals, Backenausschnitt links und geradem Abschluss.

Schläge: Auf Lauf «Q3G» (Q steht wohl für die Quartiereinteilung, G für das Quartier Gottlieben), «TH» (Kontrollpunze des kantonalen Inspektors) und Waffennummer «3». Auf Schaft «TH», hinter Laufangel auf Kolben «G».
Auf Ladestock «J», auf Oberband in Halbkreis «b»(?).

Kaliber: 18.5 mm
In der Stadt Suhl, in der ehemaligen Grafschaft Henneberg in Südthüringen (DEU), wurden seit der 2. Hälfte des 16. Jhs. Waffen hergestellt. Ende des 17. Jhs. belieferten dortige Büchsenmacher die Heere Europas mit Gewehren und fertigten prunkvoll verzierte Jagdwaffen für den Adel an. Suhl galt als Rüstungskammer Europas. Die eidgenössischen Zeughäuser deckten ihren Bedarf an Handfeuerwaffen seit 1580 mit Erzeugnissen aus Thüringen. Suhler Feuerwaffen sind zur Kennzeichnung der Herkunft mit der «Huhnmarke» geschlagen worden. Das auf der Punze abgebildete Huhn ist ein Teil des Stadtwappens von Suhl.

Die Anfertigung von Militärschusswaffen aus gebrauchtem Material war in der Schweiz bis in die Zeit um 1820 ein übliches Vorgehen. Anfangs vor allem aus Mangel an Bestandteilen wie Läufen und Schlössern sowie aus Ersparnisgründen, wurden derartige Gewehre in den Werkstätten der kantonalen Zeughäuser oder von einheimischen Büchsenmachern im Auftrag der milizpflichtigen Wehrmänner produziert. Denn bis zur Einführung des Bundesheers 1874 trugen die Soldaten die Kosten für ihre Ausrüstung grösstenteils selbst.
Wehrmänner, die sich keine eigene Waffe leisten konnten, bekamen diese leihweise vom Zeughaus in Frauenfeld ausgehändigt. Sowohl die Gewehre in Staats- wie in Privatbesitz waren mit dem Thurgauer Kantonsschlag versehen, der in drei Varianten vorliegt: «CT», «TH» und «CTH». Die mit solch einer Markierung bezeichneten Waffen entsprachen der behördlichen Vorschrift hinsichtlich der Beschaffenheit der Gewehre (Ordonnanzen). Ein erster solcher Beschluss erfolgte im Thurgau 1804 durch die kantonale Militärverwaltung. Zur Revision dieser Vorschriften bezüglich Beschaffenheit der Soldatenausrüstung kam es 1817, nun mittels einer eidgenössischen Ordonnanz. Folglich liess die eidgenössische Militäraufsichtsbehörde Modelle von Schuss- und Griffwaffen sowie von Uniformen und Ausrüstungsteilen anfertigen, damit die Büchsenmacher, Sattler und Schneider in den Kantonen die gewünschten Stücke in ihrer Werkstatt oder im Zeughaus herstellen konnten. Thurgauer Soldaten wurden erstmals 1820 mit Gewehren vom Modell 1804/1817 ausgestattet, die in der Folge Jahrzehnte im Einsatz blieben, 1842 und 1859 eine Ertüchtigung erfuhren und bis zur Einführung des Vetterli-Gewehrs Anfang der 1870er-Jahre zur Bewehrung der Schweizer Armee gehörten. Mit der Aussortierung dieser teilweise über 60 Jahre alten Stücke hörte auch die kantonale Kontrolle der Waffen und damit die Anbringung des Kantonsschlags auf. Fortan lag die Prüfung der Gewehre in den Händen der eidgenössischen Experten, welche die von ihnen erprobten Waffenteile mit Punzen versahen, die oftmals aus dem Anfangsbuchstaben ihres Nachnamens bestanden.

1619 erliessen der eidgenössische, im Thurgau amtierende Landvogt Karl Emanuel von Roll (1579–1654) und Abgeordnete des Thurgauer Gerichtsherrenstands Dekrete zur Neuformierung der Thurgauer Mannschaft. Fortan war die Gemeine Herrschaft Thurgau in acht Militärquartiere eingeteilt, die bis 1798 bestehen blieben. Die Soldaten aus den acht Quartieren Weinfelden, Pfyn (Warth), Lommis (Fischingen), Uttwil (Güttingen), Emmishofen, Ermatingen und Hüttlingen unterstanden ihrem Quartierhauptmann. Später trugen die Quartiere teilweise andere Namen, da sie nach dem Wohnort des Quartierhauptmanns bezeichnet wurden. Frauenfeld und Diessenhofen verfügten über ihr eigenes Banner. Steckborn wiederum war anfänglich Teil des Quartiers Ermatingen und führte später eine eigene Kompanie, der ein Stadthauptmann vorstand. Anfang des 19. Jhs. kam es zur Zusammenlegung der Verwaltungseinheiten. So hält die kantonale Militärordnung von 1804 die Einteilung des Kantons Thurgau in vier Quartiere (Militärbezirke) fest. Sie bildete die Grundlage für die Aushebung der Infanteriebataillone in folgenden Militärbezirken: I. Steckborn und Gottlieben, II. Arbon und Bischofszell, III. Weinfelden und Tobel und IV. Frauenfeld und Diessenhofen. Diese Ordnung bestand bis 1838.
ab 1804–um 1842 im militärischen Einsatz
L. 139.6 cm, Lauf L. 98.5 cm
Stahl, Eisen, Nussbaumholz, Feuerstein, Leder
T 40345
Albert Schoop, Geschichte der Thurgauer Miliz, Frauenfeld 1948, bes. S. 177–179, 206.

Schweizerischer Schützenverein (Hrsg.), Hand- und Faustfeuerwaffen, Schweizerische Ordonnanz 1817 bis 1967, Frauenfeld 1971, S. 20.

Eugène Heer, Der neue Stöckel, Bd. 3, Internationales Lexikon der Büchsenmacher, Feuerwaffenfabrikanten und Armbrustmacher von 1400–1900, Schwäbisch Hall 1982, S. 1703–1707.

Kriss Reinhart, Jürg A. Meier, Pistolen und Revolver der Schweiz seit 1720, Dietikon-Zürich 1998, S. 96–98, 102.
Schlagwörter: Militaria, Waffen, Gewerbe