Uhrenkette aus hellbraunem geflochtenem Haar, mit Taschenuhr einer Dame

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Lange Kette aus Kordelgeflecht in zwei verschiedenen Mustern, die ineinander übergehen. Schmales Geflecht «Strickliesel» und breiteres in schrägen Bahnen angeordnetes Geflecht. Vier Zwischenglieder aus je drei Kugeln. In der oberen Hälfte verschiebbares Herz mit Stern und rosafarbenem Stein in der Mitte sowie zwei schräg verlaufenden Bändern mit Hammermusterung. Unten kugelige Fassung, daran Karabiner zum Anhängen der Taschenuhr. Diese mit weissem Zifferblatt, römischen schwarzen Zahlen, umlaufendem goldfarbenem Perlfries zur Angabe der Minuten sowie filigranen Zeigern im Stil von Louis XV. Geriffelte runde Aufzugskrone mit Bügel. Rückseitiger Deckel mit reliefierten Vögeln auf Aussenwand, vermutlich Tauben, und Lilien sowie Aufschrift «ANDENKEN».
Punzen: Auf Innenwandung des rückseitigen Deckels Angaben zum Material «PLAQUÉ OR» (dünne galvanisch aufgebrachte Goldschicht) und «0.800» (Silberfeingehalt) sowie zur Güteklasse in Form einer Punze aus Krone und Halbmond (deutscher Qualitätsstempel für Silber seit 1884), zudem eine weitere Punze mit Auerhahn (Schweizer Qualitätsstempel für Silber). Die Qualitätsstempel liefern den Hinweis, dass die Schweizer Uhr in Deutschland verkauft wurde. Auf der Aussenseite des Uhrwerkdeckels (Staubdeckel) «RUBIS» (sechs Lager, in denen die Räder laufen, aus Rubinen gefertigt), «REMONTOIRE CYLINDRE», (Zylinderhemmung) «10» (10 Lagersteine), «QUALITÉ SUPÉRIEURE».
Die Uhr wurde über drei Generationen in der Familie weitervererbt. Anna Barbara Lüthi, die 1856 in Thundorf geboren wurde, war ihre erste Besitzerin, danach ihre Tochter Anna Schuppli (*1887). Diese übertrug sie an ihre Nichte.

Dem menschlichen Kopfhaar wird seit der Antike magische Bedeutung zugemessen. Als Ausdruck von Vitalität verkörpert es die Lebenskraft und die Seele der Person, die es trägt. Eine Haarsträhne oder eine Locke war daher ein wertvolles einzigartiges persönliches Andenken an eine geliebte Person und stand stellvertretend für diesen nicht mehr anwesenden Menschen. Daher eignete sich menschliches Haupthaar ausgezeichnet für die Herstellung von kunstvoll gestaltetem Schmuck wie Ohrhänger, Hals- und Uhrenketten, Armbänder und Vorstecknadeln. Solche aus Haaren bestehende persönliche Accessoires wurden erstmals im Barock angefertigt, als Massenphänomen erlebten diese Stücke ihre Blütezeit im Biedermeier im 19. Jh., als in den skandinavischen Ländern, im Deutschen Reich, in der Habsburger Monarchie und der Eidgenossenschaft ein eigentlicher Boom nach dem zierlichen künstlerisch und kunsthandwerklich exklusiven Schmuck ausbrach. In der Schweiz war es insbesondere die Ostschweiz, wo die Kunst aus geflochtenem, gewobenem und geklöppeltem Haar emotional aufgeladene Erinnerungsstücke an verstorbene und lebende Personen herzustellen, gepflegt wurde. Das zu Lebzeiten bei Seite gelegte Haar wurde im Todesfall oder anlässlich eines freudigen Ereignisses wie einer Verlobung einem Fachmann übergeben, der daraus das gewünschte Stück anfertigte. Frauen arbeiteten zwar zahlreich in diesem florierenden Kunsthandwerk mit, allerdings in der Regel im Hintergrund als Angestellte. In auf Haarschmuck spezialisierten Schmuckgeschäften konnten die Kunden und Kundinnen anhand von Mustertafeln die in der Regel aus Walzgold angefertigten metallenen Teile und die Verarbeitungsart ihrer Haare auswählen. Bekannte Grössen auf diesem Markt waren Johann Jakob Rohner, der in Herisau ein Geschäft betrieb, sowie der Winterthurer Heinrich Etter. Zwar handelt es sich um günstigen Modeschmuck, was die Werkstoffe Haar und Walzgolddoublé (eine Goldlegierungsauflage auf unedlem Metall wie Kupfer) anbelangt, der jedoch ebenso von den wohlhabenden Schichten getragen wurde.
2. Hälfte 19. Jh.
Kette mit Uhr L. 92 cm, Uhr D. 3 cm
Haar, geflochten; Fassungen aus Walzgold; Silbernes Uhrgehäuse, galvanisch vergoldet
T 38864
Gisela Zick, Gedenke mein. Freundschafts- und Memorialschmuck 1770–1870, Dortmund 1980.

Johannes Schläpfer, Schmuck aus Haar, Lege zwei über drei, zwei über eins, drei über vier, Schwellbrunn 2021.
Schlagwörter: Hauswirtschaft, Persönliche Accessoires, Schmuck, Uhr, Technische Instrumente, Messwesen, Kunsthandwerk, Andenken, Erinnerung