Wachsporträt: Jakob Herzog-Imhof (1821–1878), Müller in Pfyn

zurück

Halbfigurenstück im Profil nach links, in rundem Ausschnitt. Der Porträtierte trägt ein eng anliegendes schwarzes Jackett (Schweizerdeutsch Tschoope) mit breitem fallendem Revers im Stil des Biedermeiers der 1820er–1830er-Jahre, ein weisses Hemd und ein schwarzes Halstuch mit schwarzer Fliege. Auf Brusthöhe steckt ein goldglänzendes Accessoire, wohl eine Brosche. Sein braunes Haar steht vorne über der Stirn leicht ab und ist am Haaransatz in Locken und über dem Ohr zu einer Rolle frisiert, von der aus eine schmale Kotelette bis zur Backe reicht.
Das Relief liegt vertieft, auf einer runden schwarzen Platte angebracht, in einem Holzkasten hinter Glas. Die Front des 3 mm über dem Glas liegenden Kastendeckels ist schwarz lackiert, die Seiten des Kastens konisch nach hinten verjüngt. Die Rückseite mit Papierabdeckung, darüber zwei Klebeetiketten mit handgeschriebenen Angaben zur Donatorin «Dem thurguischen Museum / geschenkt von Ida Spengler / Ernst Spengler Weinfelden» und zum Porträtierten «Herr Jakob Herzog-Imhof / Müller in Pfin / 1821–1878». Runde Öse aus Draht für Aufhängung.
Die Porträts T 2839.1 und T 2839.3 sind Pendants der sich zugewandten Eheleute Herzog-Imhof.
Neben der Sägemühle gehörten Jakob Herzog der Gasthof Krone und die Ziegelhütte in Pfyn und zudem vermutlich auch die Sägemühle in Müllheim.

Aus Wachs geschaffene Bildnisse kamen im 18. und 19. Jh. in bürgerlichen Kreisen auf. Die kleinformatigen Porträts faszinierten aufgrund der feinteiligen und detaillierten sowie äusserst realistischen Abbildung der Dargestellten. Wachs bot dabei die Möglichkeit, die Haut lebensecht und natürlich aussehen zu lassen. Weitere Materialien wurden zur Gestaltung der Büsten und Halbfiguren verarbeitet, um dem Porträt eine lebendige Präsenz zu verleihen. So kamen für die Augen Glasperlen und für die Pupillen Samen zur Anwendung, Letztere wurden nach dem Einsetzen lackiert. Auch Echthaar, Textilien für die Kleidung und Metallfolien zur Darstellung von Schmuck wurden appliziert. Das Grundmaterial bestand aus Bienenwachs und Harz, das mit Pigmenten gefärbt wurde. In einem letzten Arbeitsschritt wurden die fertig geformten und auf einem Träger angebrachten Bildnisse hinter einem schützenden Glas in einen Holzkasten mit Rahmen montiert. Die Plastiken schufen Wachsbossierer d.h. Künstler, die eine Form aus Wachs modellierten und diese Fertigkeit oft in einem vergleichbaren, dem plastischen Gestalten verpflichteten Handwerk lernten wie dem Porzellanmodellieren, der Schmiedekunst oder der Bildhauerei. Aus der Ostschweiz sind zwei, in dieser Technik bewanderte Porträtisten bekannt. Beide stammen aus der in Rickenbach bei Wil beheimateten Familie Heuberger, wobei der Erfolgreichere, der in Stuttgart ansässige Franz Xaver Heuberger (1791–1863?) in Süddeutschland und sein Stiefbruder Josef Gregor Heuberger (1779–1855) in Rapperswil tätig waren. Ersterer fertigte raffinierte, in dieser Technik künstlerisch bedeutende Werke an, weshalb zu seiner Kundschaft gehobene Kreise zählten. Josef Gregor Heuberger erlangte nicht die Virtuosität seines Stiefbruders. Seine Werke zeichnen sich durch Routine aus, die keine aufwändig modellierten oder bemalten Details aufweisen. Er goss seine Porträts und formte freihändig individuelle Züge, bevor er sie auf einer Schieferplatte anbrachte und in einen schwarzen Rahmenkasten legte.
Heuberger, Josef Gregor (1779–1855), Wachsbossierer
Mitte 19. Jh.
D. 10.2 cm, Rahmen H. 15, B. 13.5 cm
Wachs, bossiert; Holz, lackiert; Glas; Papier
T 2839.1
Paul Oberholzer, Die Wachsbossierer Heuberger von Rickenbach bei Wil, in: Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte (ZAK), Bd. 38, Heft 3, 1981, S. 202–230.

Elisabeth Taube, Alles nur Wachs?, Eine kunsttechnologische Studie zu kleinformatigen Wachsbildnissen des 18. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum, in: conserva, 2022, Heft 2. https://doi.org/10.57908/cons.2022.2, aufgerufen am 17.09.2024.

Denkmalpflege Thurgau, Hinweisinventar Bauten. https://map.geo.tg.ch/apps/denkmaldatenbank/, aufgerufen am 28.08.2025.
Schlagwörter: Relief, Kunsthandwerk, Porträt, Hauswirtschaft, Wohnen, Andenken