Wachsporträt: Susanna Spengler-Herzog (1819–1864), aus der Gerberei im Hasli in der Gemeinde Wigoltingen

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Halbfigurenstück im Profil nach rechts, in rundem Ausschnitt. Die Porträtierte trägt aufgrund des glänzend dargestellten Stoffs ein schwarzes Seidenkleid, ein schwarzes Cape mit Fransen und einen darüber liegenden weissen transparenten Kragen mit fein gerüscheltem Rand und weisser Stickerei. Über dem Kragen liegt eng am Hals ein schwarzes Band, gemäss der damaligen Mode vermutlich aus Samt, dessen Enden sich vorne über der Kehle kreuzen, darunter eine goldene Brosche mit grünem Stein. Das braune Haar ist von einem Ohr zum anderen gescheitelt und von dort horizontal nach hinten gekämmt und am Hinterkopf zu einem Knoten aus einem Zopf hochgesteckt. Am Vorderkopf ist es mittelgescheitelt, liegt glatt auf und vertikal in Strähnen frisiert, die bis zur Mitte ihrer Wange reichen und dort in einem Bogen unter dem Ohr zum Hinterkopf verlaufen und in einer Schnecke enden. Um den Hals eine lange Uhrkette mit runder Taschenuhr mit Karabiner auf höhe der Taille.
Das Wachsrelief liegt vertieft auf einer runden schwarzen Platte in einem Holzkasten hinter Glas. Die Front des 3 mm über dem Glas liegenden Kastendeckels ist schwarz lackiert, die Seiten des Kastens sind konisch nach hinten verjüngt. Die Rückseite mit Papierabdeckung, darüber zwei Klebeetiketten mit handgeschriebenen Angaben zur Donatorin «Dem thurgauischen Museum, geschenkt von Ida Spengler Ernst Spengler Weinfelden» und zur Porträtierten «Frau Susanne Spengler geb. Herzog», darunter «Gerbe Hasli Gemeinde Wigoltingen 1819–1864». Runde Öse aus Draht für Aufhängung.

Die Porträts T 2839.2 und T 2839.4 sind Pendants der sich zugewandten Eheleute Spengler-Herzog.
Aus Wachs geschaffene Bildnisse kamen im 18. und 19. Jh. in bürgerlichen Kreisen auf. Die kleinformatigen Porträts faszinierten aufgrund der feinteiligen und detaillierten sowie äusserst realistischen Abbildung der Dargestellten. Wachs bot dabei die Möglichkeit, die Haut lebensecht und natürlich aussehen zu lassen. Weitere Materialien wurden zur Gestaltung der Büsten und Halbfiguren verarbeitet, um dem Porträt eine lebendige Präsenz zu verleihen. So kamen für die Augen Glasperlen und für die Pupillen Samen zur Anwendung, Letztere wurden nach dem Einsetzen lackiert. Auch Echthaar, Textilien für die Kleidung und Metallfolien zur Darstellung von Schmuck wurden appliziert. Das Grundmaterial bestand aus Bienenwachs und Harz, das mit Pigmenten gefärbt wurde. In einem letzten Arbeitsschritt wurden die fertig geformten und auf einem Träger angebrachten Bildnisse hinter einem schützenden Glas in einen Holzkasten mit Rahmen montiert. Die Plastiken schufen Wachsbossierer d.h. Künstler, die eine Form aus Wachs modellierten und diese Fertigkeit oft in einem vergleichbaren, dem plastischen Gestalten verpflichteten Handwerk lernten wie dem Porzellanmodellieren, der Schmiedekunst oder der Bildhauerei. Aus der Ostschweiz sind zwei, in dieser Technik bewanderte Porträtisten bekannt. Beide stammen aus der in Rickenbach bei Wil beheimateten Familie Heuberger, wobei der Erfolgreichere, der in Stuttgart ansässige Franz Xaver Heuberger (1791–1863?) in Süddeutschland und sein Stiefbruder Josef Gregor Heuberger (1779–1855) in Rapperswil tätig war. Ersterer fertigte raffinierte, in dieser Technik künstlerisch bedeutende Werke an, weshalb zu seiner Kundschaft gehobene Kreise zählten. Josef Gregor Heuberger erlangte nicht die Virtuosität seines Stiefbruders. Seine Werke zeichnen sich durch Routine aus, die keine aufwändig modellierten oder bemalten Details aufweisen. Er goss seine Porträts und formte freihändig individuelle Züge, bevor er sie auf einer Schieferplatte anbrachte und in einen schwarzen Rahmenkasten legte.
Heuberger, Josef Gregor (1779–1855), Wachsbossierer
Mitte 19. Jh.
D. 10 cm, Rahmen H. 15, B. 13.5 cm
Wachs, bossiert; Holz, lackiert; Glas; Papier
T 2839.4
Paul Oberholzer, Die Wachsbossierer Heuberger von Rickenbach bei Wil, in: Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte (ZAK), Bd. 38, Heft 3, 1981, S. 202–230.

Elisabeth Taube, Alles nur Wachs?, Eine kunsttechnologische Studie zu kleinformatigen Wachsbildnissen des 18. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum, in: conserva, 2022, Heft 2. https://doi.org/10.57908/cons.2022.2, aufgerufen am 17.09.2024.
Schlagwörter: Relief, Kunsthandwerk, Porträt, Hauswirtschaft, Wohnen, Andenken