Münze: «Goldvreneli» im Wert von 20 Franken der Schweizerischen Eidgenossenschaft, geprägt in Bern, aus dem Nachlass von Karl Asmund Kappeler (1844–1924), Kaufmann in Kolumbien

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Vs.: Umschrift: «HELVETIA». In Perl- und Linienkreis Frauenbüste nach links, mit aufgesteckten Zöpfen, das Schultertuch mit Edelweissblüten bestickt (Alpenblume, Symbol für die Alpen bzw. die Schweiz als Alpenland), dahinter Bergkette.
Rs.: In Perl- und Linienkreis Wappenschild auf Eichenzweigen (Symbole der Stärke, Treue und Einheit), flankiert von «20 – FR», darunter Jahreszahl.
1897 führte die Schweiz eine neue Goldmünze im Wert von 20 Franken ein, welche die seit 1883 geprägten Goldstücke ersetzte. Anstelle des Kopfs der Helvetia (Allegorie der Schweiz), einer Büste im Profil, gestalterisch an der römischen Antike orientiert, erscheint nun auf der Vorderseite der Münze das Brustbild einer jungen, nach links blickenden Frau mit Edelweissblüten geschmücktem Schultertuch vor einer Alpenkette im Hintergrund. Während ihre langen Haare zu zwei Zöpfen geflochten und aufgesteckt sind, flattern einzelne Haarsträhnen auf der Stirn und am Hals im Wind. Der Schriftzug «HELVETIA» gibt dem Betrachter eindeutig zu verstehen, dass es sich bei der dargestellten jungen Frau um die Personifikation der Schweiz handelt. Mit dieser zeitgemäss und künstlerisch anspruchsvollen und zugleich innovativen Darstellung schuf der Neuenburger Künstler und Medailleur Fritz Ulysse Landry (1842–1927) eine der schönsten Schweizer Goldmünzen. Als Vorbild soll dem Künstler die Porträtskizze der jungen Rosa Tännler (1879–1946) aus Gadmen (BE) gedient haben, der er Jahre zuvor bei einer Wanderung im Berner Oberland begegnet war. Die Figur der Helvetia verkörperte seit dem 17. Jh. die eidgenössische Nation. Im Verlauf des 19. Jhs. wurde sie als Repräsentationsfigur des Schweizer Staats immer wichtiger. Zuvor häufig als Göttin im wallendem Gewand dargestellt, schuf Landry mit der jungen Frau in bäuerlicher Tracht vor einer Bergkette eine lebensnahe Verkörperung der Einheit des Landes. Der bald aufkommende Übername «Vreneli» für diese Goldmünzen spielt direkt auf diesen Umstand an. Keine abgehobene unnahbare Göttin wie auf den früheren Goldmünzen des Typs HELVETIA war auf den neuen Goldmünzen als Verkörperung des Landes dargestellt, sondern eine einfache Frau aus dem Volke, zu der der schweizerische und damals weit verbreitete Frauenname Vreneli hervorragend passte. Wie alle allegorischen Darstellungen stellt auch das Vreneli eine idealisierte Frauengestalt dar.

Diese nach den Vorgaben der Lateinischen Münzunion (1865–1927) geprägte Goldmünze im Gewicht von 6.452 g und mit einem Feingehalt von 900/1000 Goldanteil fand in der Bevölkerung rasch grossen Anklang. Bis heute ist die Münze in der Schweiz als «Vreneli» bekannt. Von 1897–1949 wurden 58,6 Mio. Stücke davon geprägt. 1911–1922 erfolgte parallel dazu die Ausgabe von Halbstücken zu 10 Franken und 1925 sogar die eines Mehrfachwerts zu 100 Franken mit einer Auflage von 5000 Exemplaren.

Bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs (1914–1918) waren die Goldvreneli fester Bestandteil des Geldumlaufs in der Schweiz. Während der Kriegsjahre wurden die Goldmünzen im Alltag jedoch zusehends durch Banknoten ersetzt. Trotz dieser Entwicklung blieben sie offizielles Zahlungsmittel und kamen bis in die 1930er-Jahre in bäuerlichen Kreisen weiterhin beim Kauf von Kleinvieh zum Einsatz.
Die Abwertung des Schweizer Frankens 1936 um rund 30% führte allerdings dazu, dass der Edelmetallwert der Goldmünze den Nominalwert deutlich überstieg. Das Goldvreneli verlor somit seine Funktion als Zahlungsmittel, blieb aber weiterhin als Patengeschenk und Anlagemittel beliebt. Diesem Umstand wurde in den nachfolgenden Jahren bei seiner erneuten Prägung Rechnung getragen. Während ein Teil der Goldvreneli mit Prägejahr 1935 neben der Jahreszahl noch zusätzlich ein «L» für Lingot (Barren) trägt (geprägt 1945–1947), weisen die Goldmünzen mit den Prägejahren 1947 und 1949 die Randschrift «AD LEGEM ANNI MCMXXXI» (nach dem Gesetz von 1931) auf. Sie verweist auf die rechtliche Grundlage, welche die Goldmünzenprägung seit 1931 regelt.

Die Ausprägung 1925 des 100-Franken-Stücks war auf Betreiben des Freiburger Bundesrates Jean-Marie Musy, des damaligen Vorstehers des Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartements, erfolgt. Ziel dieser Massnahme war, den Goldmünzen wieder Gewicht im Zahlungsverkehr zu verschaffen. Deshalb sollte fortan die Auszahlung des Lohnes der Bundesbeamten in Goldmünzen erfolgen. Jedoch stiess diese Initiative in der Bevölkerung auf wenig Anklang. Als zu unpraktisch erwiesen sich insbesondere die grossen 100-Franken-Stücke im täglichen Zahlungsverkehr gegenüber den bereits seit mehreren Jahrzehnten eingeführten handlichen Banknoten. Das 100-Franken-Stück wurde rasch als «eidgenössische Tapferkeitsmedaille» in der Bevölkerung bekannt und war ein beliebtes Geschenk.

Der in Frauenfeld geborene und in St. Gallen zum Kaufmann ausgebildete Kappeler sammelte während seines beruflichen Aufenthalts in Südamerika (um 1876–1891) einen umfangreichen Bestand an wertvollen Münzen. 1897 zog er sich aus dem Geschäftsleben zurück und unternahm ausgiebige Reisen durch Europa, von welchen er Souvenirs mitbrachte. Münzsammlung und Reiseandenken vermachte er testamentarisch dem Historischen Verein des Kantons des Kantons Thurgau.
1901
D. 21.3 mm
Gold, Prägung
T 6603
Archiv Historisches Museum Thurgau, Akten Historisches Museum 03.17.02, Inventar Sammlung Kappeler (unpaginiert), S. 1.

Jean-Paul Divo, Edwin Tobler, Die Münzen der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert, Zürich 1967, Nr. 293.

Tobias Scheidegger, Mythos Edelweiss, Zur Kulturgeschichte eines alpinen Symbols, Eine Dokumentation, recherchiert und verfasst im Auftrag der Botanischen Gärten Zürich und Genf, 2008. https://www.isek.uzh.ch/dam/jcr:00000000-1d25-814c-ffff-ffffdedb53f5/MythosEdelweiss.pdf, aufgerufen am 06.01.2024.
Schlagwörter: Numismatik, Kunsthandwerk, Staatliche Institutionen, Allegorie, Heraldik, Symbol, Botanik