Kette für Taschenuhr und Anhänger in Form eines Ankers, aus braunem geflochtenem Haar

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Kette mit breitem Mittelstück aus drei ineinander geflochtenen Bändern, die je aus drei lose nebeneinander liegenden Kordelgeflechten bestehen. Seitenstücke aus drei ineinander geflochtenen Strängen, jeweils aus zwei lose nebeneinander verlaufenden Kordelgeflechten. Die äusseren Geflechte der Bänder des Mittelstücks sowie die jene der Seitenteile weisen dasselbe runde Flechtmuster auf, das mittlere Geflecht der Bänder im Kettenmittelteil ist breiter und eckig. Profilierte sechseckige vergoldete Zwischenglieder, Enden mit ebensolcher Hülsenfassung, oben an grosser federnder Drahtschlinge mit Sicherung aus zwei Ösen, zum Anhängen der Kette an Kleidungsstück, unten mit Karabiner zum Anhängen der Taschenuhr an die Kette.

Anker (Symbol der Hoffnung) aus zwei eckigen nebeneinander liegenden, unten je gerundet nach aussen gebogenen Kordelgeflechten, in der Mitte Goldherz mit Gravur «L. R. A.», die beiden unteren Enden je in kegelförmiger Fassung mit Kugelgupf, oben Fassung mit beidseitig erhabenen Voluten, die je einen Schild formen, dieser mit gekörntem Grund, runde Öse.
Dem menschlichen Kopfhaar wird seit der Antike magische Bedeutung zugemessen. Als Ausdruck von Vitalität verkörpert es die Lebenskraft und die Seele der Person, die es trägt. Eine Haarsträhne oder eine Locke war daher ein wertvolles einzigartiges persönliches Andenken an eine geliebte Person und stand stellvertretend für diesen nicht anwesenden Menschen. Daher eignete sich menschliches Haupthaar ausgezeichnet für die Herstellung von kunstvoll gestaltetem Schmuck wie Ohrhänger, Hals- und Uhrenketten, Armbänder und Vorstecknadeln. Solche aus Haaren angefertigten persönlichen Accessoires wurden erstmals im Barock angefertigt, als Massenphänomen erlebten diese Stücke ihre Blütezeit im Biedermeier im 19. Jh., als in den skandinavischen Ländern, im Deutschen Reich, in der Habsburger Monarchie und der Eidgenossenschaft ein eigentlicher Boom nach dem zierlichen künstlerisch und kunsthandwerklich exklusiven Schmuck ausbrach. In der Schweiz war es insbesondere die Ostschweiz, wo die Kunst aus geflochtenem, gewobenem und geklöppeltem Haar emotional aufgeladene Erinnerungsstücke an verstorbene und lebenden Personen herzustellen, gepflegt wurde. Das zu Lebzeiten bei Seite gelegte Haar wurde aufgrund des Todes einer Person oder anlässlich eines freudigen Ereignisses wie einer Verlobung einem Fachmann übergeben, der daraus das gewünschte Exemplar anfertigte. Frauen arbeiteten zwar zahlreich in diesem florierenden Kunsthandwerk mit, allerdings in der Regel im Hintergrund als Angestellte. In auf Haarschmuck spezialisierten Schmuckgeschäften konnten die Kunden und Kundinnen anhand von Mustertafeln die in der Regel aus Walzgold angefertigten metallenen Teile und die Verarbeitungsart ihrer Haare auswählen. Bekannte Grössen auf diesem Markt waren Johann Jakob Rohner, der in Herisau ein Geschäft betrieb, sowie der Winterthurer Heinrich Etter. Zwar handelt es sich, was die Werkstoffe Haar und Walzgolddoublé (eine Goldlegierungsauflage auf unedlem Metall wie Kupfer) anbelangt, um günstigen Modeschmuck, der jedoch ebenso von den wohlhabenden Schichten getragen wurde.
Ende 19. Jh.
Kette L. 38.5 , B. 3.7 cm, Anker L. 5.6, B. 2 cm
Kordelgeflecht aus dunkelbraunem Haar, in zwei verschiedenen Mustern gearbeitet; Kupfer, vergoldet (Walzgold)
T 38641
Gisela Zick, Gedenke mein. Freundschafts- und Memorialschmuck 1770–1870, Dortmund 1980.

Johannes Schläpfer, Schmuck aus Haar, Lege zwei über drei, zwei über eins, drei über vier, Schwellbrunn 2021.
Schlagwörter: Hauswirtschaft, Schmuck, Persönliche Accessoires, Messwesen, Uhr, Kunsthandwerk, Symbol, Andenken, Erinnerung