Petschaft: Abdruck in Blei der Siegelstempelplatte der Munizipalität Bürglen, gelocht

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Vs.: «[CANTON TH]URGAU - DISTR. WEINFELDEN:», Wilhelm Tell in «altschweizerisch-vaterländischer Tracht» (Söldnerkleidung mit geschlitzten Beinkleidern und geschlitztem Wams) mit Federhut, Schwert und Köcher, neben Baumstumpf mit frisch austreibenden Eichenzweigen, nimmt seinen Sohn Walter in die Arme, der den mit einem Pfeil durchschossenen Apfel in die Höhe hält, Armbrust an Baumstumpf gelehnt, darunter zweizeiliger Schriftzug zwischen zwei Zweigen: «[M]UNICIPALITAET / BÜRGLEN.», (wobei «AE» ligiert), darunter Gitterverzierung. Aussen Perlkreis.
Rs.: glatt mit Unebenheiten.
Die Munizipalität war während der Helvetik das Verwaltungsorgan der Einwohnergemeinde (später Munizipalgemeinde genannt). Die Munizipalität bestand aus mehreren Mitgliedern, denen ein Präsident vorstand. Sie wurde von allen Aktivbürgern der Einwohnergemeinde an der Generalversammlung gewählt. Jedes Jahr wurde ein Drittel der Mitglieder durch Wahl neu bestimmt. Die Einwohnergemeinde wurde mit dem Gesetz vom 13./15. Februar 1799 definitiv in der Schweiz eingeführt und umfasste alle in der Gemeinde niedergelassenen Schweizer Bürger. Parallel dazu blieben die Ortsbürgergemeinden bestehen, welche den reduzierten Kreis derjenigen Gemeindebürger umfasste, welche althergebrachte Nutzungsrechte am zuvor bereits bestehenden Gemeindegut innehatten. Beide Gemeindeorganisationen nahmen in der Folge unterschiedliche Aufgaben wahr. Während die Munizipalität in erster Linie politische, polizeiliche und verwaltende Tätigkeiten wahrnahm, waren die Ortsbürgergemeinden hauptsächlich für den Erhalt der Gemeindeinfrastruktur, das Schulwesen, für das Armen- und Fürsorgewesen sowie für die Erteilung des Gemeindebürgerrechts zuständig. Mit der durch die Thurgauer Verfassung von 1987 geforderten Neuordnung der Gemeindeorganisation gingen bis zum Jahr 2000 die bisher parallel nebeneinander bestehenden Gemeindeorganisationen (Munizipalgemeinde, Ortsgemeinde) im Thurgau in die Institution der politischen Gemeinde über.

Zur Herstellung eines solchen Abdrucks wurde flüssiges Blei oder Zinn auf eine Karton- bzw. Papierunterlage gegossen und danach der seitenverkehrt gearbeitete Präge- bzw. Siegelstempel ins noch warme Blei gedrückt. Dieses Verfahren wurde ursprünglich bei der Herstellung von Münz- oder Medaillenstempeln verwendet, um so die Qualität der Gravur vor dem finalen Härten der Stahlstempel zu überprüfen.
Die ausgerissene Lochung oben am Rand legt nahe, dass der Abdruck einem Agenten der Helvetischen Republik, der als Vertreter der Zentralregierung auf Gemeindeebene tätig war, als Abzeichen diente, damit sich dieser gegenüber der Bevölkerung als Vertreter der Republik ausweisen konnte.
um 1798–1803
D. 34.7 mm
Blei, Abdruck
T 38058
Paul Rosenkranz, Die Gemeinden im Thurgau vom Ancien Régime bis zur Ausscheidung der Gemeindegüter 1872 (Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Bd. 107), Frauenfeld 1969, S. 9–278.

Balázs Kapossy, 2.33 Freiheitsheld als liebevoller Vater, in: Zwischen Entsetzen und Frohlocken, Vom Ancien Régime zum Bundesstaat 1798–1848, Ausstellungskatalog, Bernisches Historisches Museum, Bern 1998, S. 91.

Angelus Hux, Die Entwicklung der Bürgergemeinden im Thurgau, 2007. https://jimdo-storage.global.ssl.fastly.net/file/d131f532-cc48-43f2-af5c-883b2b40a19d/Entwicklung%20der%20B%C3%BCgergemeinden%20im%20Thurgau.pdf, aufgerufen am 29.09.2022.

André Salathé, Munizipalgemeinde, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.03.2007. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010264/2007-03-30/, aufgerufen am 07.09.2022.

Andreas Fankhauser, Munizipalität, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.11.2007. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026446/2007-11-07/, aufgerufen am 22.11.2023.
Schlagwörter: Sphragistik, Staatliche Institutionen, Kommunikation, Justiz, Geschichte